"Das ist kein Pakt für eine Regierung"

Das jetzt erzielte Abkommen zwischen Sozialisten und rechten Ciudadanos ist zum Scheitern verurteilt - Spanien steht vor Neuwahlen

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Eine "Fortschrittsregierung" hatte der spanische Sozialist Pedro Sánchez stets versprochen. Doch statt dem portugiesischen Vorbild zu folgen, einigte er sich am Mittwoch mit der rechten Partei Ciudadanos (Bürger) auf ein "historisches Abkommen". Damit hat er gezeigt, dass er seinen ohnehin merkwürden Begriff von "progressiv" nun sogar noch weiter nach rechts verschoben hat. "Wir haben nachgegeben, damit alle Spanier gewinnen", erklärte Sánchez nach der Unterzeichnung.

Das nehmen ihm nicht einmal seine Parteifreunde ab. Und es sorgt für großen Unmut bei seinen Sozialisten (PSOE), dass Sánchez allein auf einen aussichtslosen Pakt mit dieser rechten Partei gesetzt hat, die von Albert Rivera geführt wird. Einige Parteiführer kündigen schon jetzt offen an, wie der PSOE-Chef in der für die Partei wichtige andalusische Provinz Jaen, sie würden bei der Mitgliederbefragung am Samstag gegen den Pakt stimmen. Wie Rivera sind viele "Bürger" Abtrünnige der postfaschistischen Volkspartei (PP), die Spanien vier Jahre mit harter Hand und heftigen Einschnitten ins Sozialsystem sowie Beschneidungen von Rechten regiert hat. Zum Teil kommen Ciudadanos-Parteigänger sogar vom ganz rechten Rand.

Der Text des "Abkommens für eine progressive Reformregierung" zeigt, dass bestenfalls einige Spitzen der rechten neoliberalen Austeritätspolitik unter einem sozialistischen Präsidenten gekappt werden sollen. An den Grundlinien soll sich wenig ändern. Rivera hat seine neoliberalen und rechten Positionen weitgehend durchgesetzt. So haben die Sozialisten (PSOE) sogar ihr zentrales Wahlversprechen beerdigt. Von "dringlichen Maßnahmen zur Aufhebung der Arbeitsmarktreform", mit der die PP den Kündigungsschutz abgeschafft und Abfindungen deutlich verbilligt hatte, ist nichts mehr zu lesen. Im Verhandlungsdokument waren sie noch gefordert worden.

Flucht nach vorne

Sánchez, der das schlechteste Wahlergebnis für die PSOE einfuhr, versucht offenbar in einer Flucht nach vorn nur noch seine politische Karriere zu retten. Üblicherweise tritt der Parteichef nach einem solchen Wahldebakel ab. Er blinkte mit dem Besuch in Portugal links und versucht nun rechts zu überholen. Verzweifelt will er mit vielen Zugeständnissen an Ciudadanos die PP doch noch einzubinden. Er forderte deshalb am Mittwoch von "Rechts und Links" Unterstützung.

Denn auch ihm ist nicht entgangen, dass er nun nur noch bei einer PP-Enthaltung im zweiten Wahlgang am 5. März Ministerpräsident werden könnte. Das Problem von Sánchez ist aber, dass die PP immer wieder deutlich erklärt hat, sie werde mit Nein gegen den "Wahlverlierer" stimmen. Sie hat schon in den Wahlkampfmodus gewechselt, weil sie auf Neuwahlen setzt, und spricht nun von einem "Betrugspakt". Sie weiß, dass die PSOE wegen diesem Pakt mit den Ciudadanos bei Neuwahlen weiter abstürzen wird und positioniert sich gleichzeitig gegen den rechten Widersacher, der der PP die rechten Stimmen streitig macht.

Das gesamte Konstrukt der PSOE war nie auf eine wirkliche Reform des von Korruption zerfressenen und von Zerfall bedrohten Staats ausgerichtet. Für die Parteien im Baskenland und Katalonien sind die extrem spanisch-nationalistischen Ciudadanos untragbar. Denn sie wollen den Staat nicht in Richtung einer Republik und Mitbestimmung der Regionen reformieren, sondern Basken und Katalanen weitere Rechte nehmen.

Podemos-Chef Pablo Iglesias sieht sich angesichts des Pakts bestätigt. Er hatte lange Gespräche mit der PSOE abgelehnt und die Frage des Selbstbestimmungsrechts ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Deshalb wollte er nicht mit der PSOE verhandeln, solange die mit der "Krücke der PP" verhandelt, wie er Ciudadanos nennt, da deren Vorstellungen denen von Podemos diametral entgegenstehen. "Das ist kein Pakt für eine Regierung oder eine Amtseinführung", sagte er. Er machte damit klar, dass Sánchez ohne Podemos beim Nein der PP vor die Wand fahren wird. Nur mit Podemos, bei Enthaltungen von katalanischen und baskischen Parteien, hätte eine Linkskoalition an die Macht kommen können.

Die nun eingeschlagene Politik kann Podemos nicht unterstützen, ohne Verrat an den Wählern zu begehen. So war es klar, dass die Partei die Gespräche mit der PSOE abgebrochen hat, die diese Woche unter Vermittlung der Vereinten Linken (IU) eingeleitet worden waren. Nach der Absage von Podemos zeigen nun auch die IU und andere Linksparteien den scheinbar erstaunten Sozialisten die kalte Schulter.

Fürchten müssen sie Neuwahlen ohnehin nicht. Laut Umfragen lag Podemos schon vor der Verabschiedung des Abkommens mit der Rechten vor der PSOE. Und der Versuch, mit der Rechten und einem neoliberalen Programm an die Macht zu kommen, wird nur dazu führen, dass weiter linke Wähler den Sozialisten den Rücken kehren und in Richtung Podemos und IU abwandern.