Austeritätsgegner schauen mit Sorge nach Spanien

Die portugiesische und die griechische Regierung hatten auf Unterstützung durch eine weitere Linksregierung gehofft

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Entsetzt schauen vor allem linke Politiker aus Portugal auf den großen Nachbarn Spanien. Führungsmitglieder des Linksblocks (BE) haben mehrfach den Chef der Schwesterpartei Podemos (Wir können es) angerufen. Auch die BE-Chefin Catarina Martins und die BE-Kandidatin für den Präsidentenposten Marisa Matias haben Pablo Iglesias dazu gedrängt, eine Regierung mit den Sozialisten (PSOE) zu bilden.

Zudem hat sich der derzeit schwer gebeutelte griechische Präsident Alexis Tsipras an seinen Freund Iglesias gewandt, damit der Druck auf Griechenland gesenkt werden kann. Für Syriza ist Podemos so etwas wie der Strohhalm, an den sich die Partei nach ihrem Umfaller klammert.

Das zeigte zunächst Wirkung. Zuletzt hatte er sich trotz seiner Probleme damit, dass die PSOE mit den rechten Ciudadanos das Gegenteil von dem verhandelt, was Podemos für Spanien vorschwebt, Verhandlungen verweigert. Er willigte aber auf Vermittlung der Vereinten Linken (IU) ein, Gespräche zu führen, damit der PSOE-Chef Pedro Sánchez Ministerpräsident werden kann.

Was Kapitalmärkte und EU-Kommission fürchten, darauf hoffen BE, der griechische Regierungschef Tsipras und auch der der britische Labour‑Chef Jeremy Corbyn: eine "Anti‑Austeritäts‑Koalition". Chancen, dass das viertgrößte Euroland Spanien darin die Führung übernimmt, sind weitgehend zerstoben. Sánchez paktiert mit der rechts-neoliberalen Partei "Ciudadanos" (Bürger). An Stelle eines Bruchs mit der Austerität ist Kontinuität vorgesehen.

Statt auf Unterstützung von Podemos setzt er auf die Einbindung der rechten Volkspartei (PP). Die steht aber nicht nur für massive Korruption, sondern auch für eine drakonische Austeritätspolitik, harte Repression gegen deren Gegner und Einschnitte in demokratische Grundrechte. So war kaum verwunderlich, dass alle Linksparteien die Gespräche mit der PSOE abgebrochen haben. Man darf gespannt sein, ob die Basis das Bündnis mit den Rechten heute bei der Befragung absegnet. Da viele wohl mit einem Nein nicht vor den anstehenden Neuwahlen ihren Kandidaten Sánchez beerdigen wollen, wird sogar mit einer geringen Beteiligung gerechnet.

In Portugal hält das Linksbündnis

In Portugal hat sich die gesamte Linke erstmals seit der Nelkenrevolution 1974 zusammengerauft, tiefe Gräben überwunden, um den Konservativen die rote Karte zu zeigen. Und nun werden Einschnitte ins Sozialsystem, Renten- und Lohnkürzungen und Steuererhöhungen zurückgenommen. Reibungslos läuft das nicht. CDU und BE fordern eine schärfere Gangart und Costa musste schon einen Streik aushalten, weil Beschäftigte im öffentlichen Dienst die Rückkehr zur 35-Stunden-Woche fordern.

Doch niemand stellt das Bündnis in Frage, weil Costa glaubhaft ist. Er nimmt auch die Privatisierung der Fluggesellschaft TAP teilweise zurück, die die Rechten noch eilig durchzogen. Der Staat wird künftig mit 50% Beteiligung wieder den Ton angeben. Costa will aber keine Konfrontation mit der EU-Kommission und hat Ratingagenturen im Blick. Die schießen sich wegen dieser Politik schon auf Portugal ein und drohen mit weiteren Abstufungen der Kreditwürdigkeit des Landes.

Würde auch die kanadische DBRS das Land auf "Ramschstatus" herabstufen, dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) seine Anleihen nicht mehr kaufen. Die darüber deutlich gedrückten Zinsen würden wieder stark steigen und unbezahlbar werden. Costa will beweisen, dass seine Maßnahmen über den erwarteten Aufschwung bezahlbar sind und die mit Brüssel vereinbarten Ziele erfüllen. Und diesen Kurs unterstützt auch der neu gewählte konservative Präsident, der sich damit deutlich von seiner Partei absetzt, die er mitgegründet hat.

Um den Spielraum auch für andere Länder zu verändern, wäre ein Schwenk in Spanien nötig. Doch in der gespaltenen PSOE sind rechte nationalistische Tendenzen stark. Machtinteressen werden vor die fatale Lage vieler verarmter Menschen gestellt. Eines ihrer zentralen Probleme ist, dass sie republikanisch gibt, aber die vom Diktator Franco eingesetzte Monarchie stützt. Auch die PSOE will verhindern, dass Katalanen und Basken demokratisch nach schottischem Vorbild über ihre Unabhängigkeit entscheiden können.

Das ist ein Grund, warum sie sich in die Arme extrem spanisch-nationalistischer Parteien wie Ciudadanos wirft, statt ein Bündnis mit Podemos zu suchen. Die aufstrebende linke Alternative will die Probleme wie die Briten über das Selbstbestimmungsrecht angehen, die Konservativen haben in den letzten Jahren die Situation mit Repression so weit zugespitzt, dass Katalanen schon auf dem Unabhängigkeitsweg wandeln. Podemos zielt auf eine soziale Republik und will mit Demokratisierung und Korruptionsbekämpfung Katalanen und Basken vom Verbleib in einem "plurinationalen" Land überzeugen. Nur wenn Sánchez darauf einschwenkt, kann er Regierungschef werden und Europa einen Gefallen tun.