Die Waren letzter Wahl

Zu Tafeln, Food-Apps und Webplattformen stellt sich nun ein neuartiger Supermarkt in Dänemark – sie alle kämpfen gegen Lebensmittelverschwendung. Das Traurige ist, dass sie nur am Ende der Produktionskette etwas bewirken können.

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Zu Tafeln, Food-Apps und Webplattformen stellt sich nun ein neuartiger Supermarkt in Dänemark – sie alle kämpfen gegen Lebensmittelverschwendung. Das Traurige ist, dass sie nur am Ende der Produktionskette etwas bewirken können.

Ein 1,3 Milliarden Tonnen schweres, schlechte Gewissen belastet uns. Es ist laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) die jährliche Menge an weggeworfenen Produkten, die noch völlig genießbar sind. Und gerade auf diese Produkte hat sich ein neuer Supermarkt in Dänemark ausgerichtet. Wefood heißt das Geschäft in Kopenhagen, das kürzlich eröffnet hat. Im Regal stehen ausschließlich Lebensmittel, die andere Händler oder Landwirtschaftsbetriebe ausrangiert haben, weil sie abgelaufen sind, das Mindesthaltbarkeitsdatum naht oder die Verpackung beschädigt ist. Etwa zum halben Preis können die Kunden die Waren dort kaufen, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Betrieben wird der Supermarkt von der Organisation Folkekirkens Nødhjælp. Bei der Eröffnung standen die Kunden Schlange für die Waren letzter Wahl.

Wefood denkt konsequent das weiter, wo etwa die kleinen Boxen im Kühlregal mit vergünstigten Joghurts, deren MHD bald abläuft, oder die vereinzelten Bäckereien, wie diese in meinem Wohnort Göttingen, wo Brote vom Vortag zum halben Preis angeboten werden, ansetzen. Lange Schlangen habe ich zwar weder vor dem Kühlregal noch vor dem Bäckerladen noch nie gesehen, doch als bloße Euphorie des Starts möchte ich den Andrang beim neuen dänischen Supermarkt trotzdem nicht abschreiben.

Denn das Konzept ist sehr löblich und hilft zum einen Menschen, die auf ihre Ausgaben achten müssen, und gibt aussortierten Lebensmitteln sozusagen die Chance auf ein zweites Zuhause. Zusammen etwa mit karitativen Tafeln machen sie auf die Problematik der Nahrungsverschwendung aufmerksam und sensibilisieren die Bevölkerung in den Ländern, in denen Lebensmittel im Überfluss vorhanden sind.

Auch im technologischen Bereich gibt es entsprechende Ansätze, zum Beispiel die Zu-gut-für-die-Tonne-App des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Anwendung schlägt aufgrund der eingetragenen Lebensmittelreste passende Rezepte vor. Bei dem Problem, dass Supermärkte ihre MHD-kritischen Waren schlecht verkaufen, setzt die App FoodLoop an. Sie soll Verbraucher auf solche Produkte aufmerksam machen. Und der Online-Service BuffetGo (in Finnland und in Dänemark) hat sich auf die Reste in Restaurants spezialisiert. Über die Webplattform können Gerichte gefunden und günstig gekauft werden, die Restaurants kurz vor Geschäftsschluss noch übrig haben.

Solche Ansätze gehen also die Lebensmittelverschwendung hier in Europa an und stehen den 1,3 Milliarden Tonnen gegenüber. Das ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein: Es bringt weder den hungernden Völkern Nahrung, noch kommen die zuvor aussortierten Lebensmittel, die es gar nicht erst ins Supermarkt-Regal geschafft haben, in diesen Kreislauf. Doch immerhin: Der neue Supermarkt mit Vorbild-Charakter und die anderen Konzepte sind zumindest das, was wir als Verbraucher am Ende der Produktionskette tun können. (jle)