Spanien: 45 Jahre Atomkraftwerk Garoña und kein Ende

Längst abgeschaltet, soll der mit den Fukushima-Reaktoren baugleiche Meiler wieder in Betrieb gehen

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Es ist nun 45 Jahre her, als im nordspanischen Santa María de Garoña am 2. März 1971 - noch in der Franco-Diktatur – der Atomreaktor ans Netz ging. Obwohl der älteste Atommeiler Spaniens mit einer Leistung von 460 Megawatt schon im Dezember 2012 nach 42 Betriebsjahren abgeschaltet wurde, gibt es derzeit massive Bestrebungen, ihn erneut ans Netz zu bekommen. Dafür soll die Laufzeit um weitere 17 Jahre bis 2031 verlängert werden. Dabei war der Reaktor ohnehin nur für 40 Jahre ausgelegt, der im Betrieb immer wieder mit Störfällen von sich reden machte.

Nicht nur die Umweltschutzorganisationen in Spanien laufen Sturm gegen die Bestrebungen, das Atomkraftwerk wieder in Betrieb zu nehmen. Spanien braucht den Strom ohnehin nicht, das haben die letzten drei Jahre gezeigt, in denen Garoña abgeschaltet war. Spanien hat einen enormen Überschuss an Strom, obwohl es seit vier Jahren praktisch keinen Ausbau erneuerbarer Energien mehr gegeben hat. Die Überschüsse werden nach Portugal, Marokko und immer stärker auch nach Frankreich geleitet.

Für Greenpeace wäre die erneute Inbetriebnahme ein "unnötiges Risiko" für die Bevölkerung.
Dagegen protestierte die Organisation kürzlich mit riesigen Transparenten, die am Gebäude der Atomaufsicht (CSN) in Madrid entrollt wurden, um deren Rolle in diesem Spiel zu kritisieren. Fast allen ist mittlerweile in Spanien klar, dass vor allem politische Interessen in diesem Spiel entscheidend sind. In der Analyse erinnert Greenpeace daran, dass es die Betreiberfirma Nuclenor war, die 2012 eine Frist zur Beantragung einer Laufzeitverlängerung verstreichen ließ.

Veränderte Gesetze und die Nachrüstung, die nach dem europäischen Stresstest gefordert wurde, machten es unrentabel, den alten Reaktor am Netz zu halten. Der ist zudem mit den im japanischen Fukushima havarierten Meilern baugleich, die vor fast genau fünf Jahren eine Kernschmelze erlebten. Die Folgen davon werden das Land noch viele Jahre beschäftigen. Seit 1971 war bekannt, dass dieser Reaktortyp gravierende Probleme an den Notkühlsystemen aufweist.

Greenpeace wirft der Aufsichtsbehörde vor, in schnellen Schritten der noch amtierenden Regierung den Weg zu ebnen, weshalb Garoña ein positives Gutachten vom CSN ausgestellt werden solle, was für die erneute Inbetriebnahme nötig ist. Dabei habe Nuclenor nicht einmal die nötigen Bedingungen erfüllt, als schließlich im Juli 2014 doch noch einen Antrag auf Laufzeitverlängerung gestellt wurde.

Mit Vergünstigungen und einer Laufzeitverlängerung bis 2031 hatte die rechte Volkspartei (PP) die Betreiber dazu bewegt. Zwar wurde die PP im Dezember wieder stärkste Partei, sie stürzte aber um 16 Prozentpunkte auf knapp 29 Prozent ab. Sie versucht die verbleibende Zeit bis zum Regierungswechsel oder zu Neuwahlen zu nutzen, um im Fall Garoña noch Fakten zu schaffen, meinen nicht nur die Umweltschützer.

Sollte es den Sozialisten (PSOE) nach dem Debakel gestern im Parlament doch noch gelingen, eine alternative Regierung zu bilden, bedeutete dies das endgültige Aus für das Atomkraftwerk. Alle Parteien, mit Ausnahme der PP, lehnen eine erneute Inbetriebnahme ab. Sogar im Pakt, den der Sozialistenchef Pedro Sánchez mit den rechten neoliberalen "Ciudadanos" (Bürger) zur Regierungsbildung geschlossen hat, ist die "Schließung der Atomkraftwerke nach ihrer Laufzeit von 40 Jahren" und damit das Ende von Garoña vorgesehen. Die Gegner sind im Parlament in einer sehr deutlichen Mehrheit, doch die wird von der Atomkontrolle sowie von der noch amtierenden Regierung missachtet. Die Konservativen wollen ausnutzen, dass sie den CSN noch so lange bestimmen, bis eine neue Regierung im Amt ist.

Dass über Fragen wie der Sicherheit eines Atomkraftwerks, das nach Ansicht der "Umweltschützer in Aktion" ganz Kastilien, die Rioja, das Baskenland, Aragon ja sogar Katalonien bedrohe, politisch entschieden wird, treibt sogar CSN-Beschäftigte auf die Barrikaden. Es würden Gutachten abgenickt, die der Einschätzung der Spezialisten im Kontrollrat entgegenstehen. Wer dagegen opponiert oder an die Öffentlichkeit geht, sitze auf einem Schleudersitz, hatte die Fachvereinigung für Nuklearsicherheit und Strahlenschutz (Astecsn) kritisiert. Sie hatte die Beschäftigten erstmals in der CSN-Geschichte zum Protest gegen "Repressalien" aufgerufen. Die Angestellten gingen Ende Januar auf die Straße und forderten vor dem Sitz der Kontrollbehörde auch "Transparenz und Unabhängigkeit". Es müsse stets nach "technischen Kriterien" über Sicherheitsfragen entschieden werden, gefordert wird eine adäquate "Sicherheitskultur".