China: Erhebliche Überkapazitäten

In der Volksrepublik steht eine große Entlassungswelle bevor. Schwerindustrie kämpft mit zu geringer Auslastung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In China beginnt am Samstag die diesjährige Tagung des Nationalen Volkskongresses, seines rund 3.000 Köpfe zählenden, zumeist von den Parlamenten der Provinzen und autonomen Regionen gewählten Rumpfparlaments. In diesem Jahr wird es über den neuen Fünf-Jahres-Plan abzustimmen haben, doch die Aussichten für Chinas Wirtschaft sind durchwachsen.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet am Mittwoch, dass die Regierung in Beijing für die nächsten zwei bis drei Jahre die Entlassung von von fünf bis sechs Millionen Beschäftigten staatlicher Betriebe plant. Umgerechnet knapp 20 Milliarden Euro werden für Übergangsgelder für die Entlassenen bereit gestellt.

Das Problem heißt Überkapazitäten. Die Ausmaße werden unter anderem an den Regierungsplänen deutlich, in den nächsten drei bis fünf Jahren Erzeugungskapazitäten für 150 Millionen Tonnen Rohstahl stillzulegen. Zum Vergleich: Die deutsche Jahresproduktion betrug nach Verbandsangaben 2014 knapp 43 Millionen Tonnen, die EU-weite rund 160 Millionen Tonnen. Umgerechnet rund 14 Milliarden Euro sind eingeplant, um die Entlassungen abzufedern. Offensichtlich versucht man in Beijing frühzeitig dem Widerstand der Beschäftigten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Neben sozialer Unruhe müssen die Regierenden auch die Auswirkungen auf das Bankensystem fürchten. Die unrentablen Betriebe, die zur Schließung anstehen, haben Berge von Schulden angehäuft, die nun vermutlich abgeschrieben werden müssen. Dafür ist bisher noch keine Lösung in Sicht. Allerdings hat China seinerzeit Ende der 1990er ein noch größeres Verschuldungsproblem in den Griff bekommen, als mehr als zwei Dutzend Millionen Arbeiter auf die Straße gesetzt und reihenweise alte Staatsbetriebe in den Bankrott geschickt wurden. Seinerzeit wuchs die Wirtschaft jedoch um rund vier Prozentpunkte schneller als heutigen Tags.

Eine jüngst veröffentlichte Studie der Europäischen Handelskammer in Beijing (Peking) identifiziert acht Schlüsselindustrien, in denen Überkapazitäten ein besonderes Problem darstellen: Stahl, Werften, Aluminium, Zement, Chemie, Flachglas, Raffinerien sowie Papier und Pappe. Besonders stark sei die Auslastung in den Raffinerien zurück gegangen und liege dort nur noch bei rund 66 Prozent. Das schafft nicht nur im Inland Probleme wegen mangelnder Rentabilität, sondern sorgt auch für Spannungen mit Handelspartnern. Die goutieren es für gewöhnlich nicht, wenn Waren zu Niedrigstpreisen auf ihre Märkte drücken, um die Lager und Halden zu räumen. Die USA haben daher gerade Strafzölle auf chinesische Stahlerzeugnisse eingeführt.

Von einer Rezession scheint das Land der Mitte allerdings noch immer weit entfernt zu sein. Die Exporte und vor allem die Importe sind zwar stark rückläufig. Gleichzeitig wächst aber die Industrieproduktion weiter, wie ebenfalls Reuters berichtet. Um 5,9 Prozent im Dezember und um zusammen 5,6 Prozent im Januar und Februar im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum. Die Immobilienpreise steigen in der Mehrzahl der Städte weiter und die Investitionen in neue Häuser Infrastruktur und ähnliches wuchsen im Dezember um zehn und im Januar um 9,5 Prozent verglichen zum jeweiligen Vorjahresmonat.

In der Vergangenheit hat die chinesische Regierung es in vergleichbaren Situationen wiederholt vestanden, durch abgestimmte Industriepolitik gezielt veraltete Anlagen stillzulegen sowie Zusammenschlüsse zu erzwingen und auf diesem Wege für erhebliche Modernisierungsschübe zu sorgen.