Trotz Sanktionen: US Air Force ist auf russische Raketentriebwerke angewiesen

Die US-Luftwaffe ist auf Raketenmotoren aus Russland angewiesen. Diese sind von den Sanktionen gegen Russland ausgenommen, was US-Politiker ärgert. Sie haben die Entwicklung eigener Motoren befohlen, doch das kostet Milliarden.

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Ein Raktetentriebwerk in Betrieb

Test eines RD-180-Triebswerks 1998

(Bild: NASA)

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Atlas V 551

(Bild: NASA)

Von den westlichen Sanktionen gegen Russland betroffen ist auch die internationale Zusammenarbeit in der Raumfahrt. Doch für russische Raketentriebwerke vom Typ RD-180 musste eine Ausnahme gemacht werden. Am Donnerstag wurde bei einer Anhörung im US-Senat deutlich, dass die US Air Force noch auf Jahre hinaus auf die russischen Antriebe angewiesen ist. Sie treiben Atlas-V-Raketen an, mit denen militärische Objekte ins All geschossen werden. Über den Weg aus dieser Abhängigkeit sind Parlament und Regierung uneins.

Während das Parlament den technischen Fortschritt im eigenen Land per Gesetz beschleunigen möchte, warnen die US-Luftstreitkräfte vor den damit verbundenen hohen Kosten. Sie fordern sowieso mehr Geld und mehr Soldaten, ganz unabhängig vom Raketenprogramm. Laut Gesetz muss die Luftwaffe bis 2019 alternative, kerosingetriebene Motoren für die Atlas-V-Raketen entwickeln, bauen und testen lassen. In dem Jahr wird auch der Import der RD-180-Motoren illegal.

Nach einer vorläufigen Analyse verursache der schnelle Ausstieg zusätzliche Kosten von 1,5 bis 5 Milliarden US-Dollar, warnte die administrative Leiterin der Luftstreitkräfte Deborah Lee James, "abhängig von Ihren Annahmen, und abhängig davon, wann so ein Umstieg beginnt." Denn es müssten Missionen von der Atlas V hin zur Rakete Delta IV Heavy der United Launch Alliance und eventuell der Falcon 9 Heavy von SpaceX verlagert werden.

Secretary of the Air Force Deborah Lee James am Donnerstag bei ihrer Aussage im US-Senat.

"Die Daumen-mal-Pi-Rechnung ist: Je früher ein komplettes Verbot der RD-180 greift, umso störender wäre das für die Flugpläne und für den Produktionsablauf, und umso höher wären die Kosten", erklärte James in der Senatsanhörung, "Keine dieser Zusatzkosten, wie hoch die Kosten auch immer ausfallen mögen, ist derzeit im Programm der Air Force vorgesehen."

Doch die republikanischen Abgeordneten, die die Mehrheit in beiden Parlamentskammern stellen, halten an ihrem Kurs fest: "Die Abhängigkeit von russischen Raketentriebwerken zu beenden bleibt eine Top-Priorität dieses Ausschusses", sagte der republikanische Senator und Ausschussvorsitzende John McCain schon zur Eröffnung der Anhörung. Russland steigere "seine militärischen Fähigkeiten um die Nationale Sicherheit der USA im All zu bedrohen", meinte McCain. Die Abhängigkeit von US-Militärs und Geheimdiensten sei ein Trumpf in der Hand des russischen Präsidenten Wladimir Putin. McCain, der 2008 Präsidentschaftskandidat seiner Partei war, sieht eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit" der Vereinigten Staaten.

Senator John McCain war 2008 der republikanische Kandidat für das Präsidentenamt.

"Das Finanzministerium ist nach wie vor nicht willens, (die russische Raumfahrtbehörde) Roskosmos zu sanktionieren. (Das ist) die russische Mutter des Herstellers der RD-180. Sie wird geleitet von zwei sanktionierten Kumpanen Wladimir Putins", entrüstete sich der Senator über die Haltung der Regierung von Präsident Barack Obama, "Das lässt ein Niveau an Scheinheiligkeit der US-Sanktionen vermuten, das es erschweren wird, unsere europäischen Verbündeten davon zu überzeugen, ihre Sanktionen gegen Russland im Sommer zu verlängern."

Diese Woche hat die Air Force zwei Bieter mit der Entwicklung der alternativen Triebwerke beauftragt. Das sind einerseits United Launch Alliance (ULA) gemeinsam mit Blue Origin, obwohl diese auf ein Flüssiggas-Modell setzen, und andererseits Aerojet Rocketdyne. Doch zweifelt die Führung der Luftstreitkräfte daran, dass der Zeitplan hält. Sie würde die russischen Fabrikate gerne bis 2022 verwenden.

Mit dem Einsatz von US-Triebwerken erst nach 2023 möchten die Luftstreitkräfte noch ein zweites Problem lösen. Denn sie sind nicht nur von den Russen abhängig: Die ULA, ein Joint Venture von Lockheed Martin und Boeing, hat mit ihren Raketen Atlas V und Delta IV praktisch ein Monopol bei den US-Militärs, wenn es um den Transport großer Massen in den Orbit geht.

Mit der Atlas V transportiert die ULA regelmäßig Satelliten, die das Militär für Aufklärung, Kommunikation und Navigation benötigt. Die gleichen Raketen dienen auch zivilen Projekten, etwa dem Nachschub zur International Raumstation ISS, oder gemischten Zwecken wie GPS-Satelliten. Bis 2023, so die Hoffnung der Militärs, bringe die Privatwirtschaft mindestens zwei konkurrierende Transportsysteme hervor. Das würde die Abhängigkeit sowohl von Russland als auch von der ULA reduzieren und soll zudem die Preise drücken. (ds)