App statt Armband

Mit einem Armband, das durchgehend Puls und Blutdruck erfassen sollte, hatte sich das Start-up Quanttus viel vorgenommen. Jetzt schweigt es darüber – und hat stattdessen eine einfache App herausgebracht.

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Von
  • Rachel Metz

Mit einem Armband, das durchgehend Puls und Blutdruck erfassen sollte, hatte sich das Start-up Quanttus viel vorgenommen. Jetzt schweigt es darüber – und hat stattdessen eine einfache App herausgebracht.

Die Entwicklung eines Armbands, das exakt und zuverlässig Aktivitäten wie die Zahl der Schritte oder biometrische Daten wie den Puls aufzeichnet, ist schwierig. Man muss dabei alle möglichen verschiedenen Probleme berücksichtigen, etwa Störungen durch Armbewegungen oder die Art und Weise, wie unterschiedliche Farben und Lichtdurchlässigkeiten der Haut die Messungen beeinflussen können.

Vielleicht niemand wusste das besser als die Gründer von Quanttus. Das Start-up hat mehrere Jahre und einige Millionen Dollar an Wagniskapital investiert, um ein um das Handgelenk getragenes Gerät zu entwickeln, das den Blutdruck messen kann. Vergangene Woche brachte es das erste Produkt auf den Markt, doch von einer Realisierung des ursprünglichen Traums ist es weit entfernt: eine iPhone-App, mit der man eigene Blutdruckmessungen registrieren kann.

Die App namens Q Heart ist kostenlos und lädt Nutzer dazu ein, regelmäßig Blutdruckmessungen (für die man aber ein eigenes Gerät braucht) einzutragen. Auch der Puls lässt sich festhalten, doch auch den misst Q Heart anders als andere Apps nicht selbst. Außerdem kann man dazuschreiben, was man in den 30 Minuten vor der Messung gemacht hat (etwa Alkohol trinken oder leichte körperliche Aktivität), was man jetzt gerade macht und wie man sich fühlt.

Allison Kelly O'Hair ist leitende Datenwissenschaftlerin bei Quanttus und leitet das Büro des Unternehmens in Mountain View in Kalifornien (ein weiteres gibt es im Bundesstaat Massachusetts). An der App wurde seit dem vergangenen Jahr gearbeitet, berichtet sie. Für Quanttus sei sie eine Möglichkeit, verschiedenste Menschen dazu zu ermuntern, ihren Blutdruck im Auge zu behalten, egal ob sie ein gesundheitliches Problem wie zu hohen oder zu niedrigen Blutdruck haben.

Doch das ist weitaus weniger als das, was Quanttus zuvor angekündigt hatte: ein Smartwatch-ähnliches Gerät, das kontinuierlich Signale wie Puls und Blutdruck beobachten kann, und zwar über ein Ballistokardiogramm (BCG), bei dem die winzigen Bewegungen des Körpers durch die Pumpaktivität des Herzens erfasst werden.

Geplant hatte Quanttus, dies über einen optischen Sensor an der Unterseite des Armbands zu realisieren. Der sollte Licht auf die Haut strahlen, um zu messen, wie es vom Gewebe selektiv aufgenommen wird, was die Volumenänderungen in den Blutgefäßen bei jedem Herzschlag erkennen lässt. Ein Beschleunigungsmesser sollte gleichzeitig die dadurch entstehenden leichten Körperbewegungen erfassen.

Die Arbeit des 2012 gegründeten Unternehmens basiert auf der Abschlussarbeit seines Mitgründers und Chefwissenschaftlers David He. Es hat nach eigenen Meldungen 22 Millionen Dollar an Kapital aufgenommen, davon 19 Millionen in der Serie-A-Finanzierungsrunde mit den Wagniskapitalfirmen Khosla Ventures und Matrix Partners (die Anschubfinanzierung von 3 Millionen Dollar hatte der Khosla-Gründer Vinod Khosla selbst zur Verfügung gestellt).

Auf die Frage, ob Quanttus weiter an dem angekündigten Blutdruck-Messband arbeite, reagiert O'Hair zurückhaltend: Sie wolle nichts dazu sagen, wo das Unternehmen damit stehe. „Wir denken aber weiterhin an mehr als nur die App“, verrät sie nur.

Laut einem früheren Quanttus-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, dauert die Entwicklung des Produkts länger als erwartet. Auch andere Unternehmen haben Probleme damit, zuverlässige und kontinuierliche Signale am Handgelenk zu erfassen. So klagen Nutzer der Apple Watch darüber, die Uhr liefere bei bestimmten Tätigkeiten falsche Pulsraten; laut Apple selbst gibt es bei Sportarten mit „unregelmäßigen Bewegungen“ wie Tennis oder Boxen weniger genaue Ergebnisse als bei „rhythmischen“ wie Joggen oder Fahrradfahren. Die Apple-Smartwatch erfasst den Puls nur dann kontinuierlich, wenn man die Workout-App nutzt. Ansonsten wird alle zehn Minuten eine Pulsmessung versucht, aber nicht, wenn man sich bewegt (außerdem kann man eine Messung selbst auslösen).

Unabhängig davon, wer sich daran versucht: Das Handgelenk mag wie der logische Ort für ein Messgerät zum Anziehen erscheinen, weil wir ja schon an das Tragen von Uhren gewöhnt sind. Doch für das Erfassen von biologischen Signalen ist es nicht ideal. Am Ohr zum Beispiel scheint dies viel besser zu funktionieren. Tatsächlich ging es schon in der Abschlussarbeit von He um ein BCG-Gerät, das nicht etwa am Handgelenk, sondern am Ohr getragen wird.

(sma)