Weniger Zuckerbrot und mehr Peitsche?

Zuerst Mexiko, dann Berkeley – und jetzt Großbritannien. Der Kampf gegen Diabetes und Übergewicht gipfelt in einer Limonadensteuer. Wird das Konzept Schule machen?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Inge Wünnenberg

Immer mehr Menschen in den modernen Gesellschaften leiden an Diabetes 2. Früher als "Alterszucker" tituliert, stimmt das heute nicht mehr unbedingt. Inzwischen erkranken auch häufiger junge Menschen an dieser Zivilisationskrankheit. Einer der Auslöser ist Übergewicht. Und als eine Ursache dieses Übergewichts haben Ernährungswissenschaftler wie Mediziner unter anderem zuckerhaltige Limonaden ausgemacht. Das hat bereits in Mexiko zu einer Sondersteuer auf Soft-Drinks geführt. Und nun hat Großbritannien ebenfalls eine Strafsteuer für stark zuckerhaltige Getränke verkündet.

Zwar versuchen die Softdrinkhersteller mit aller Macht, die Debatte zu verlagern. Nichts fürchten sie mehr als das Schicksal der Tabakindustrie: Wer will schon in die Raucherecke? Daher wollen die Getränkekonzerne glauben machen, nicht der Zucker in den Limonaden sei das Problem – man müsse nur genügend Sport treiben. Aber ist das wirklich realistisch? Wie der US-Ernährungsforscher Walter Willett aus Harvard feststellt, haben viele seiner Landsleute längst die richtigen Konsequenzen gezogen. In den USA ist der Konsum von Softdrinks bereits um 25 Prozent zurückgegangen.

Der kalifornischen Kleinstadt Berkeley genügte das nicht. Wie David gegen Goliath engagierten sich Einwohner entgegen dem Interesse der Getränkeindustrie für ein Referendum und erreichten, dass sich die Wähler der Stadt 2014 für die Einführung einer Limonadensteuer entschieden. Sie folgten mit der Sonderabgabe einem Weg, den Mexiko als erstes Land der Welt bereits 2013 eingeschlagen hatte. Dort hatte sich in den Jahren zwischen 2000 und 2006 die Zahl Diabeteskranken verdoppelt: Das Land der bekennenden Limonadefans schreckte damals auf. Nach dem Inkrafttreten der Steuer fiel der Konsum der zuckerhaltigen Getränke zunächst um sechs Prozent, während der Kauf von Mineralwasser um vier Prozent stieg.

War schon in Mexiko der entscheidende Coup mit der Steuer Teil eines Finanzplans, so übernahm jetzt in Großbritannien ebenfalls Finanzminister George Osborne die Initiative. Hintergrund sind wohl die alarmierenden Daten des britischen Gesundheitssektors. Auch auf der Insel stieg die Zahl der Diabetesfälle zwischen 2005 und 2015 um beinahe 60 Prozent.

Spannend ist nun vor allem die Frage, ob sich weitere westliche Länder anschließen werden. Laut Hochrechnungen der Allgemeinen Ortskrankenkassen existierten im Jahr 2000 in Deutschland 5,4 Millionen Diabetesfälle. Bis zum Jahr 2009 stieg auch hier die Anzahl um frappierende 49 Prozent auf 8 Millionen Fälle. Es ist kaum zu hoffen, dass die Deutschen klüger sein werden als alle anderen – und sich freiwillig gesünder ernähren. Wahrscheinlich brauchen sie genauso den Wink mit dem Zaunpfahl. Und benötigt nicht Herr Schäuble ebenso noch Unterstützung für seine "schwarze Null"? (inwu)