Schweizer Parlament stimmt Verschärfung des Überwachungsgesetz zu

Die umstrittene Revision des Schweizer Überwachungsgesetz (BÜPF) hat die letzten parlamentarischen Hürden genommen – das Gesetz erlaubt unter anderem den Einsatz von Staatstrojanern. Die Piratenpartei hat bereits ein Referendum angekündigt.

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Schweizer Parlament stimmt Verschärfung des Überwachungsgesetz zu

Nationalratssaal Schweiz

(Bild: parlament.ch)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Das Schweizer Parlament hat dem revidierten Gesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) zugestimmt. Kritiker sehen in dem Gesetz eine massive Verschärfung der Überwachungsmethoden in der Schweiz – unter anderem erlaubt sie den Einsatz von Staatstrojanern und "besonderen technischen Geräten" bei der Ortung von Handys. Die Schweizer Piratenpartei hat bereits angekündigt, ein Referendum gegen die Änderungen in die Wege leiten zu wollen. Werden für ein solches Referendum 50.000 Stimmen gesammelt, könnte am Ende also das Stimmvolk über die Zukunft des neuen Überwachungsgesetzes entscheiden.

In der Schlussabstimmung am gestrigen Freitag stimmten beide Kammern des Parlaments – der National- und der Ständerat – der Revision zu. Der Nationalrat sprach sich mit 160 zu 23 Stimmen bei 12 Enthaltungen dafür aus, der Ständerat mit 41 zu 4 Stimmen. Während die Mehrheit der Sozialdemokratischen Partei (SP) und der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) mit "Ja" stimmten, votierte die Fraktion der Grünen mit "Nein".

Für die Abstimmung waren im Vorfeld die letzten Differenzen zwischen den beiden Parlamentskammern aus Stände- und Nationalrat ausgeräumt worden. Eine sogenannte "Einigungskonferenz" aus den beiden Räten hatte in der vergangenen Woche mehrheitlich dafür gestimmt, dass sogenannte "Telefonranddaten" auch im Ausland gespeichert werden dürfen. Bei den Randdaten handelt es sich um Verkehrsdaten wie die Dauer eines Telefonats und wer mit wem telefoniert hat ("Vorratsdatenspeicherung"). Gegen das Speichern im Ausland hatte sich ursprünglich der Nationalrat ausgesprochen. Dieser wollte durchsetzen, dass im Zusammenhang mit dem neuen Überwachungsgesetz Vorratsdaten nur in der Schweiz gespeichert werden dürfen. Hätte die Einigungskonferenz keine gemeinsame Lösung gefunden, wäre die Gesetzesvorlage gescheitert gewesen. Die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga hatte zuvor betont, dass das Schweizer Datenschutzgesetz auch dann gelte, wenn die Daten auf Servern im Ausland aufbewahrt würden.

Eine weitere Hürde war bereits vor zwei Wochen genommen worden, als sich nach dem Ständerat auch der Schweizer Nationalrat gegen die ursprünglich vorgesehene und umstrittene Ausweitung der Aufbewahrungsdauer von Vorratsdaten von sechs auf zwölf Monate ausgesprochen hatte.

Grundsätzlich ging es der Regierung, dem Bundesrat, bei der Revision darum, die gesetzlich erlaubten Überwachungsmöglichkeiten den aktuellen technischen Möglichkeiten anzupassen. Neu vorgesehen ist im überarbeiteten BÜPF der Einsatz von technischen Überwachungsgeräten wie beispielsweise IMSI-Catchern, aber auch von Abhör- und Richtmikrofonen. Beschlossen sind auch Antennensuchläufe, über die Mobiltelefonbesitzer und ihre Randdaten identifiziert werden können und die bereits häufig für Ermittlungen eingesetzt wurden. Laut einem Bericht der Aargauer Zeitung hatten die Schweizer Strafbehörden allein im Jahr 2015 die Handy-Daten von 124 Antennen abgefischt.

Noch relativ neu ist der Einsatz von "Staatstrojanern" oder "Government Software", kurz GovWare. Strafverfolgungsbehörden sollen die Trojaner in Computer einschleusen dürfen, um beispielsweise verschlüsselte Gespräche mit Skype und ähnlichen VoIP-Diensten mithören zu können. Die Befürworter des Gesetzes betonen, es gehe nicht um präventive Überwachung, sondern allein um die Überwachung im Rahmen von Strafverfahren. Zudem dürften Staatstrojaner nur bei schweren Straftaten eingesetzt werden.

Aus Sicht des überwachungskritischen Vereins "Digitale Gesellschaft" zeige ein Blick in das Gesetz jedoch, dass Staatstrojaner auch zur Verfolgung von Bagatelldelikten eingesetzt werden können. Insgesamt warnen die Gegner deshalb vor einem Überwachungsstaat. Auch die Piratenpartei schreibt in einer Mitteilung zum angekündigten Referendum, dass das BÜPF viele inakzeptable Artikel beinhalte und den Rechtsstaat grundsätzlich in Frage stelle. So hebelte das Gesetz den Quellenschutz für Ärzte, Anwälte und Journalisten aus und der Einsatz von Staatstrojanern sei nur teuer und nutzlos.

Gegen die Vorratsdatenspeicherung kämpft der Verein "Digitale Gesellschaft" in der Schweiz auch mit einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Man wolle die Beschwerde gegebenenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weitertragen, so der Verein. (acb)