Student darf nach Kritik an Zentralrat der Juden kein Rabbi werden

Zerwürfnis in Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg nach einem kritischen Kommentar des Mannes über Äußerungen von Zentralratschef Schuster

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In Potsdam sorgt die Entlassung eines Rabbineranwärters am Abraham-Geiger-Kolleg für Furore. Der 25-jährige Armin Langer hatte zuvor scharfe Kritik an der politischen Ausrichtung des Zentralrates der Juden und seinem Vorsitzenden, Josef Schuster, geübt. Nun entfernte das Leitungsgremium "Board of Rabbies" den jungen Mann von der Liste für die diesjährige Rabbinerprüfung. Das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig verletzt, hieß es zur Begründung. Das Gremium begründet den Streit aber nicht unmittelbar politisch, sondern führt ein technisches Argument an: Langer habe sich nicht an die Ansprache gehalten, Statements mit der Pressestelle der Lehreinrichtung abzustimmen.

Stein des Anstoßes war ein Kommentar Langers, der Ende November in der linksliberalen "tageszeitung" erschien. Darin übte der Theologiestudent und Befürworter eines jüdisch-islamischen Dialogs harsche Kritik an Zentralratschef Schuster. Dieser hatte zuvor in der Tageszeitung "Die Welt" des Springer-Konzerns für eine Begrenzung von Flüchtlingszahlen plädiert, weil viele Flüchtlinge aus Gesellschaften stammten, "in denen der Hass auf Juden und die Intoleranz ein fester Bestandteil" seien.

Langer argumentierte hingegen, mehr als 95 Prozent der antisemitischen Straftaten in Deutschland würden von Menschen ohne Migrationshintergrund begangen. "Wenn jemand behauptet, dass es Antisemitismus vor allem unter Arabern gibt, der ist entweder dumm und hat schlechte Berater – oder er ist einfach ein Rassist", schrieb der Student weiter, um im sarkastischen Ton eine Umbenennung der Interessenvertretung in "Zentralrat der rassistischen Juden" vorzuschlagen.

Der kurze Text hat ihm nun vorerst die Prüfung zum Rabbiner gekostet. Langer habe sich nicht an die Vorgabe gehalten, mediale Auftritte – auch im Rahmen der von ihm 2013 gegründeten Salaam-Schalom-Initiative – mit der Pressestelle des Kollegs abzustimmen. Nach einem Bericht in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" wusste der Geschasste aber nichts von einer solchen Vereinbarung.

Die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) zitiert jedoch aus einer internen Mail des Rektors Walter Homolka, die eine unmittelbare politische und persönliche Motivation vermuten lässt. Homolka habe an den Präsidenten der Union des progressiven Judentums, Leslie Bergmann, geschrieben, Langer gefährde "mein Lebenswerk durch sein dummes und freches Vorgehen".

Langer kann sein Theologiestudium an der Universität Potsdam, mit der das Abraham-Geiger-Kolleg assoziiert ist, fortsetzen und sich 2017 erneut für die Prüfung bewerben. Gegenüber der MAZ forderte er, das Kolleg sollte ihm dann auch "das Recht auf freie Meinungsäußerung garantieren".

Das Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg wurde 1999 als erstes Institut dieser Art in Kontinentaleuropa nach dem Holocaust gegründet. Es beruft sich auf den jüdischen Gelehrten Leo Baeck und dessen Ansinnen, "Pluralismus und Toleranz zu fördern".