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Was war. Was wird. Jenseits der Satiregrenze.

Schulterzucken. Haben wir keine anderen Probleme? Doch, haben wir, ist sich Hal Faber sicher. Was aber nicht heißt, dass Meinungsfreiheit unwichtig wäre. Im Gegenteil.

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Was war. Was wird. Jenseits der Satiregrenze.

Auch ne Art Satire...

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Wo wir schon bei Satire sind: "Marat the PM, upon writing root-cause analysis in post-mortem document."

(Bild: Classic Programmer Paintings)

*** Das Date auf dem Parkplatz fällt aus. Heute kommt die kleine Wochenschau nicht aus dem wunderschönen Hannover, sondern von janz weit wech. Bekanntlich adelt es den Journalisten wenn er inkulpativ arbeitet, die Situation vor Ort mit den schönsten Erikativen beschreibt, stöhn, ächz und wimmer. Heute bin ich also an der "final frontier" unserer Kultur unterwegs, an der Grenze zur Satire. Hopplahopp ist diese Deppengrenze (Ukraina) überschritten und die Landschaft wird wild und ungemütlich, die Sprache derb und natürlich ukrainisch:
Du Küchenjunge von Babylon, Radmacher von Mazedonien, Ziegenhirt von Alexandria, Bierbrauer von Jerusalem, Sauhalter des großen und kleinen Ägypten, Schwein von Armenien, tatarischer Geißbock, Verbrecher von Podolien, Henker von Kamenez und Narr der ganzen Welt und Unterwelt, dazu unseres Gottes Dummkopf, Enkel des leibhaftigen Satans und der Haken unseres Schwanzes.

*** Was Jan Böhmermann kann, konnten die Zaporoger Kosaken, wenn man der Legende Glauben schenkt. Anders als im Hetmanat muss sich Böhmermann für seine Verse nun vor Gericht verantworten, was staatstragende Blätter richtig finden und vom guten Gang der Dinge schwärmen. Ein wenig ratlos zuckt man dabei mit den Schultern, was ein Straftatsbestand wie Majestätsbeleidigung im 21. Jahrhundert zu suchen hat. So etwas soll ja gelöscht werden.

*** Ende einer seltsamen Affäre, in der die Straftat "Verbrechen an der deutschen Sprache" leider keine Rolle spielt? Selten habe ich so viele schlechte Gedichte auf der nach unten offenen Knödel-Skala gelesen wie in diesen Tagen. Doch halt: "Gibt es ein Land außer Deutschland, wo wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen?", das fragte sich schon Lichtenberg. Denn Böhmermann und der mit ihm produzierte epileptische Anfall der öffentlichen Böhmermann-Diskussion ist in seiner eifrigen Hyperrechtschaffenheit genau der Hofnarr, den diese Republik sich gerne hält. Böhmermann ist genau das von Angela Merkel und Winfried Kretschmann regierte Deutschland, das sich nicht scheut, einen schmierigen Deal mit Erdogan abzuschließen und stolz darauf ist, wie glatt alles läuft im Leerlauf. Jetzt wird kräftig gewürdigt, während der Mann eine Kunstpause einlegt.

*** "Der Umgang der Politik mit den Menschen sollte möglichst auf einer für beide Seiten verständlichen kommunikativen Ebene stattfinden: Vielleicht lassen sich dann auch in Zukunft solche oder ähnliche Taten weitgehend vermeiden."
Nein, das ist nicht Habermas und seine Theorie des kommunikativen Handelns. Es ist der Vorwurf des Anwaltes, der den heimtückischen Mordversuch an Henriette Reker als Tat eines wertkonservativen Rebellen umdeutet, die irgendwie aus Notwehr passierte, weil viele Bürger von der Flüchtlingspolitik "mehr als irritiert waren." Die nach tagelanger Internet-Recherche genau geplante Tat wird zu einem Akt des Widerstandes, wenn der Anwalt aus dem Strafverfahren einen politischen Prozess machen möchte. Nein, das ist keine Satire.

*** Wo sind sie nur, die müden Witzchen? Wie wäre es mit einer neuen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Gern auch für Fahrdienstleister, die während der Arbeit ein Online-Spiel auf dem Handy spielen oder beim Multitasking wie die Kanzlerin im Bundestag noch Züge überwachen können – oder auch nicht. Von einer Studie aus hochgerechnet, soll es allein in Deutschland mehr als 50.000 Verkehrsunfälle gegeben haben, die durch die Ablenkung am Smartphone passierten. Natürlich gibt es längst die mobilen Darwin Awards, doch sind sie den armen Smartphones gewidmet, die ihr Leben aushauchten. Die für Menschen tödlichen Varianten findet man auf den einschlägigen Bilderbrettern.

*** Europa ist in dieser Woche mit Japan gleichgezogen und hat einen Schutz von Geschäftsgeheimnissen installiert, der es praktischerweise zulässt, dass geheim ist, wie das Geschäftsgeheimnis definiert ist. Journalisten wie Whistleblower sollen von diesem gehemnisvollen Geheimnisschutz dann ausgenommen sein, wenn sie Missstände öffentlich machen, die aus einer bestimmten geheimen Geschäftspraxis entstehen. Ein Widerspruch zu den weiter laufenden Veröffentlichungen wie den Panama Papers besteht nicht: Die Special Purpose Vehicles Schweizer Banken sind schließlich kein Geheimnis, sondern ein simpler Weg zur Verschleierung der Vermögensstruktur der Kunden. Was noch zu klären bleibt sind die Anschuldigungen gegen die CIA, wie sie Bradley Birkenfeld, der Edward Snowden der Finanzbranche, im Münchener Exil vortrug. Dort, wo die Süddeutsche Zeitung erscheint, die nach Putin der Investmentbank Goldman Sachs gehört. Ungeprüfte Informationen in den Informationsunterlagen führten zu diesem "Fehler".

Was wird.

Es soll in diesem unseren Lande Grundrechte geben, die nicht verhandelbar sind. Was es ganz sicher gibt, sind Firmen, Behörden und andere Organisationseinheiten, die es mit den Grundrechten nicht so genau nehmen, die Arbeitnehmerrechte in Arbeitwegnehmerpflichten umdefinieren und an der Überwachung von Kernbereichen der privaten Lebensführung großen Gefallen finden oder in ihr eine auskömmliche Geschäftsidee sehen. Wer das tut, muss sich Kritik gefallen lassen, nicht nur von den offiziell dafür zuständigen Datenschutzbeauftragten. Die Big Brother Awards sind eine Form, die einpreist, was andere gerne einsargen, all die schmutzugen Tricks beim schlampigen Umgang mit Daten. Auch wenn manche Auszeichnungen und Problemdarstellungen nicht einleuchten mögen, ist immer wieder interessant zu sehen, wer da einen Preis bekommt. Am kommenden Freitag ist es soweit, mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Gastrednerin.

Noch mehr Satire? Gerne: "A visual guide to the Scala language. The left panel shows the functional features, the main one describes the type system, and the right the object oriented parts."

(Bild: Classic Programmer Paintings)

Fünf Minuten lang scheint der arme US-amerikanische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders gestern mit Papst Franziskus gesprochen zu haben, bevor dieser zu einem Flüchtlingslager nach Lesbos flog. Als nicht besonders strenggläubiger Jude hatte Sanders den Papst für seine Kritik an den Reichen und Superreichen gelobt, die riesige Vermögen anhäufen. Nun erhält Sanders Unterstützung von den Großverdienern im Silicon Valley, was kluge Köpfe so irritiert, dass sie zu den ollen Kamellen von Ayn Rand greifen. Dabei ist die Sache ziemlich einfach: es gibt Linke wie Paul Mason, die in der Sharing Economy die Möglichkeit sehen, den Kapitalismus durch Digitalisierung direkter Tauschsysteme abzulösen. Und es gibt Libertäre, die in jeder anti-staatlichen "Disruption" das nächste dicke Ding schlummern sehen. Bernie Sanders hat keine Chance, aber diese nutzt er jetzt.

Und Jetzt? Jetzt, schepper, kreisch, hüpf, ham wir ne Party. More to come. (jk)