Nähe zwischen Politikern und Journalisten beim ZDF

Doktorarbeit setzt sich mit dem Fall Nikolaus Brender auseinander

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Gibt es ein System an gegenseitigen Gefälligkeiten zwischen Politikern und Journalisten beim ZDF? Eine Doktorarbeit, die sich mit dem Fall des ehemaligen Chefredakteurs des ZDF, Nikolaus Brender , auseinandersetzt, legt das nahe.

In einem Interview mit dem Branchendienst kress.de sagt Inga Wagner, die als Persönliche Referentin von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) tätig ist, dass Journalisten beim ZDF auf einem "CDU- oder SPD-Ticket" fahren und "schwarz oder rot lackiert" seien, selbst wenn sie unabhängig sind. Ein System von "gegenseitigen Gefälligkeiten zwischen Journalisten auf der einen und schwarzen oder roten Räten auf der anderen Seite" sei so entstanden.

In Sachen Brender kommt sie zu dem Ergebnis, dass der Chefredakteur gehen musste, weil er sich zu einem unabhängigen Journalismus bekannt habe und außerdem den Einfluss von CDU und SPD im ZDF begrenzen wollte. Zum Fall Brender sagte Wagner, dass dieser mit den veralteten Traditionen beim ZDF aufgeräumt habe und er, obwohl "rot angestrichen", sich nicht dem SPD-Lager zugehörig gefühlt habe. Brender sei einfach nur so "lackiert" gewesen.

Auf die Frage von kress.de, ob es sich beim ZDF um Staatsfernsehen handele, sagte Wagner, sie wolle so weit nicht gehen, aber es existierten Bereiche beim ZDF, die "stark parteipolitisch dominiert sind." "Beim ZDF", so Wagner, die 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei SPD-Bundestagsabgeordneten gearbeitet hat,"zuckt niemand, wenn von roten oder schwarzen Freundeskreisen die Rede ist". Und Wagner weiter: "Das ist völlig normal. Informelle Treffen vor den Sitzungen von Verwaltungs- und Fernsehrat sind absolut üblich."

Gleichzeitig betonte Wagner aber auch, dass sie beim ZDF engagierte und unabhängige Journalisten kennengelernt habe und auch keinesfalls dafür plädiere, die Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen. Trotz ihrer Einblicke hinter die Kulissen des ZDF könne sie aber die "unsägliche Lügenpresse-Debatte", die aus den rechtspopulistischen Lagern komme, nicht teilen.

Wagner hat für ihre Doktorarbeit mit den "Protagonisten" gesprochen, die damals in Sachen Brender Einfluss genommen bzw. sich eingemischt haben. Entstanden ist so eine "Rekonstruktion des Falls Nikolaus Brender", die nun in Buchform unter dem vielsagenden Titel "Informelle politische Kommunikation" nachzulesen ist.

Deutlich wird: Entscheidungen, die Brender beim ZDF getroffen hat, sein Verhalten, seine Haltung, führten dazu, dass bestimmte politische Akteure ein Interesse daran hatten, den Vertrag des Chefredakteurs nicht zu verlängern. Es kam zu einem Ringen zwischen dem damaligen ZDF-Intendanten und SPD- und CDU-Politikern.

Brenders Vertrag wurde schließlich nicht verlängert. Der Fall ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, das im März 2014 den ZDF-Staatsvertrag in Teilen für verfassungswidrig erklärte. Die Möglichkeiten der politischen Einflussnahmen über den Fernseh- und Verwaltungsrat, erkannten auch die Karlsruher Richter. Und so bezeichnet Wagner den Fall Brender als "Glücksfall für das ZDF".

Bald werde sich an der Zusammensetzung der Räte einiges ändern, so würden "zum Beispiel auch junge Onliner, Lesben und Schwule sowie Muslime berücksichtigt, die ihren Einfluss geltend machen können. Der Fernsehrat wird bunter und vielfältiger."