Musik liegt in der Luft

Jeder kann Musik machen, das war eine Devise auf dem MusicTechFest in Berlin. Mit einer Auswahl an neuartigen Instrumenten zeigte das Event, wie Technologien und Sound-Erzeugung kreativ verbunden werden können.

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Am Samstag habe ich kurz auf dem MusicTechFest in Berlin vorbeigeschaut. Das Event ist eine Mischung aus Festival und Konferenz, das zum Ziel hat, Musiker und Wissenschaftler sowie Vertreter der Musikindustrie zusammenzubringen. Die stilvolle Kulisse bildete das Funkhaus Berlin in Treptow-Köpenick, in dem früher der DDR-Rundfunk untergebracht war. Zwischen Prunksäulen und Bauhaus-inspirierter Architektur trafen sich also Künstler, Hacker, Bastler und Start-ups im Bereich von Musikproduktion – kurz: Musik-Fans aus den verschiedensten Ecken. Nach Austragungsorten wie London, Wellington, Boston, Paris uvm. ließ sich das wandernde MusicTechFest in seiner 10. Auflage zum zweiten Mal in Berlin nieder.

Am Samstagmittag war noch nicht so viel los. Doch im Foyer, vor den Stufen zur Mainstage sitzen bereits einige Coder vor ihren Laptops an ihren Projekten. Im Gang rechts neben der Treppe rekeln sich zwei Tänzerinnen zu verzerrten Sounds und Lichtblitzen. Geht man die Treppe hoch, gelangt man zum Großen Sendesaal, den die Veranstalter als Mainstage ausgewählt haben. Hier in der imposanten Halle zeigt sich nun, wie sich Tech-Connaisseure die Zukunft von Musik vorstellen. An diesem Nachmittag geben eigens entwickelte Musikinstrumente den Ton an, für die man nicht unbedingt Noten lesen können muss.

Hier eine kleine Auswahl:

  • Der Brite Tom Fox hat unter anderem eine einhändig-spielbare Geige entwickelt. Noch ist sie ein Prototyp, aber ihr Ansatz ist ein inklusiver. So geht es Fox etwa um den Bedarf von körperbehinderten Menschen, denen es mit solchen Erfindungen erleichtert bzw. ermöglicht werden soll, Instrumente und insbesondere Saiteninstrumente zu erlernen. Die bisher entwickelte Geige lässt sich nur durch die Berührung der Saiten am Griff spielen. Eine Vorrichtung am Geigenkörper berührt die Saiten und erzeugt den noch recht schräg klingenden Sound.
  • Bei "Kontraktion" verzichtet der Entwickler Maximilian Weber komplett auf ein Instrumentenkörper im herkömmlichen Sinne. Der menschliche Körper selbst wird zum Instrument mithilfe eines Myo-Bands, das um den Unterarm gelegt wird. Üblicherweise wird es zur Gestensteuerung von elektronischen Geräte und Videos oder auch zur Übersetzung von Gebärden genutzt. Es erfasst die Muskelkontraktionen im Arm, die durch bestimmte Gesten und Fingerbewegungen entstehen. Bei Weber hingegen werden die Signale in Töne umgewandelt. 16 verschiedene Sound-Kanäle kann er damit erzeugen.
  • Der Niederländer Piers Titus van der Torren zeigt sein Striso genanntes Instrument. Der Holzkörper erinnert ein wenig an ein Akkordeon: Van der Torren hält es zwischen den Händen vor dem Bauch und drückt, kreist und bewegt die gummiartigen weißen und schwarzen Knöpfe. Damit kann er die Klänge variieren und verzerren. Ihm war es wichtig, ein intuitives und systematisches Design zu entwickeln, sagt er. So bildet jedes Intervall dieselbe Tonabstufung ab, jeder Dur-/Moll-Akkord kann in der Fingerstellung eines Dreiecks gespielt werden. Im Video demonstriert er es.
  • In die Richtung Industrial-Electro-Musik geht der Sound von Bernd Deckers Instrument. Seine RayDetectionGun sieht aus wie ein Fön, doch Deckers hat darin einen E-Smog-Detektor verbaut und ein LineOut angefügt. Damit macht er das Unhörbare hör- und aufnehmbar: die elektromagnetische Strahlung. Als er es vorführt, hört es sich nicht wirklich nach Musik an, eher wie die Sendersuche im Radio. Doch als er einen vorproduzierten Song vorspielt, klingt das wie Musik, die vielleicht auch durch das Berghain hallen könnte und die wahrlich in der Luft liegt.

Insgesamt hat mein kurzer Besuch mehr Appetit auf die Verschränkung von Technologien und der Sparte Musik gemacht. Die Vorfreude steigt also auf unseren Fokus zum Thema Musik, der in der August-Ausgabe der Technology Review erscheinen wird. (jle)