Analyse zu Oracle vs. Google: Ein Sieg für Innovation und Anwenderfreundlichkeit

Das Urteil im Prozess um Googles Verwendung von 37 Java-APIs in Android ist ein Segen für Entwickler; aber Google hätte eigentlich bestraft gehört – so Alexander Neumann, Redakteur von heise Developer

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Oracle

(Bild: dpa, Archiv)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Alexander Neumann
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Nun ist auch der dritte Prozess über die recht- oder unrechtmäßige Verwendung der Java-APIs im mobilem Betriebssystem Android zu Ende gegangen. Google freut sich über einen "Sieg für das Android-Ökosystem, für die Java-Community und für Softwareentwickler, die offene und freie Programmiersprachen für innovative Produkte einsetzen wollen". Oracle hingegen sieht das Modell der Freien Software in seiner Existenz bedroht und spricht gar von einem Abschied für die GPL (General Public License), falls der Richterspruch bestehen bleibe, dass Googles Nutzung von Oracles Java-APIs in Android "Fair Use" sei. Da der Java-Statthalter erneut Berufung eingelegt hat, ist ein tatsächliches Ende der seit sechs Jahren gehenden Auseinandersetzungen jedoch immer noch nicht absehbar.

Eine Einschätzung von Alexander Neumann

Alexander Neumann ist seit sieben Jahren Redakteur von heise Developer und organisiert darüber hinaus mehrere erfolgreiche Entwicklerveranstaltungen.

Zuerst ist das jetzige Urteil aber ein gutes Signal für Entwickler, die mit APIs (= Programmierschnittstellen) in ihren eigenen Produkten zu tun haben. Denn ob als "offen" deklariert oder auch nicht – die Nutzung von APIs ist die Basis schlechthin für die Interoperabilität zwischen Programmen oder Softwaresystemen. Diese so grundsätzlich wie von Oracle gewünscht durch Urheberrechte zu schützen, hätte wahrlich negative Auswirkungen auf Innovation und Anwenderfreundlichkeit. Ganz zu schweigen davon, dass Entwickler nur mit großem Unbehagen mit APIs der finanzstarken "Großen" arbeiten, denn auch finanziell einen eventuell nur schwer absehbaren Rechtsstreit durchstehen zu können, erscheint als allzu großes Risiko.

Deswegen dürften die meisten Entwickler das jetzige Urteil begrüßen. Sie wünschen sich offene APIs oder mindestens welche, für die die Fair-Use-Klausel gilt. Das gilt gerade für die Open-Source-Softwareentwicklung, die seit rund zwei Dekaden das Tempo der Innovation bestimmt. Denn sie müsste beim Versuch, die Interoperabilität herzustellen, Lizenzen beim Urheber einer genutzten Software einholen, die nicht jeder an den kostenlosen Konkurrenten gerne herausgeben wird.

Dominieren Angst und von Anwälten getriebene Unternehmen wie Oracle, schadet das dem Wettbewerb durch zurückgehende Innovation und vermutlich steigende Preise infolge von Monopolisierung durch einige wenige Softwaregiganten.

Dass Google nun einen Sieg feiert, hat allerdings irgendwie einen schalen Beigeschmack. Denn so dreist-naiv, wie der Internetkonzern beim Prozess aufgetreten ist, das gehört eigentlich nicht auch belohnt. Dass sich zentrale Manager so unwissend oder schlecht beraten präsentieren wie im jetzigen Prozess, ist nicht glaubhaft. Google hat sich meiner Meinung nach bei Android ganz bewusst auf die Situation eingelassen. Das Unternehmen hätte sich spätestens nach den offensichtlichen Streitigkeiten zwischen Apache Software Foundation und Sun Microsystems um die Herausgabe der für die offizielle Zertifizierung wichtigen Technology Compatibility Kits und um eine Klärung der Rechte kümmern müssen. Das wurde augenscheinlich ausgesessen und erst wieder zur Chefsache erklärt, als klar war, dass Oracle als neuer Java-Statthalter einen Prozess anstreben würde.

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Gewisse Lehren hat Google jedoch aus der Sache glücklicherweise gezogen, denn die nächste Version des Android-Betriebssystems wird auf dem OpenJDK basieren, einer Open-Source-Implementierung, deren rechtlicher Status eindeutiger ist als die sowieso veraltete Java-6-Implementierung von Apache Harmony, die dem jetzigen Android noch zugrunde liegt. So war klar schon vor dem Prozess einigermaßen klar, dass die Zukunft von Android auf festen Beinen steht.

Tatsächlich hat Oracle nicht ganz Unrecht damit, dass das jetzige Urteil auch eine Niederlage für die GPL oder verwandte Open-Source-Lizenzen darstellen könnte. Doch ist es nicht schon vorher ein Trend gewesen, dass liberalere Lizenzen wie die von Apache, Eclipse, BSD oder MIT im Aufwind sind. Neue Programmiersprachen wie Swift oder Go und selbst Microsofts mittlerweile quelloffenes .NET stehen nicht ohne Grund unter solchen Lizenzen.

Glücklicherweise haben es Unternehmen wie Amazon, IBM und Intel, aber auch Google verstanden, dass vor allem die freie Verwendung ihrer APIs die Grundlage dafür ist, dass Communitys und Ökosysteme zu ihren Produkten entstehen können, die wiederum dazu beitragen, dass die Angebote dieser großen Unternehmen ihre große Verbreitung haben. Wenn die Anwälte von Oracle das auch nur verstünden ... (ane)