Störerhaftung: Bundestag beschließt Änderung des Telemediengesetzes

Mit Änderungen am TMG will die Koalition das leidige Thema Störerhaftung zu den Akten legen. Reicht nicht, meckert die Opposition. Alle gucken jetzt nach Luxemburg, wo der EuGH noch überlegt.

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Störerhaftung: Bundestag beschließt Änderung des Telemediengesetzes

WLAN für Gäste soll für den Cafébesitzer kein Abmahnrisiko mehr darstellen.

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Der Bundestag hat am Donnerstag die nach wie vor umstrittene Änderung des Telemediengesetzes (TMG) verabschiedet und will damit mehr Rechtssicherheit für Anbieter öffentlicher WLANs schaffen. Der erst in dieser Woche in der Koalition abgestimmte Kompromiss wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD angenommen. Grüne und Linke stimmten gegen die Gesetzesänderung, weil sie weiterhin Abmahnrisiken für die Betreiber von WLAN-Hotspots befürchten. Das Gesetz könnte schon im September in Kraft treten.

Netzpolitiker von Union und SPD wollten das Abmahnrisiko abschaffen, dem Betreiber eines öffentlichen WLANs in Deutschland ausgesetzt sind. Wer zum Beispiel in einem Café seinen Gästen einen Internetzugang bereitstellt, konnte bisher für Rechtsverstöße durch Gäste abgemahnt und zur Kasse gebeten werden. Dieser “Störerhaftung” genannte deutsche Sonderweg sollte mit der Novelle des TMG ein Ende haben. Auch besondere Auflagen wie umständliche Anmeldeverfahren sollen damit entfallen.

Allerdings hat sich die Koalition nicht darauf einigen können, das so auch explizit in den Gesetzestext zu schreiben. Zwar steht jetzt im Gesetz drin, dass das für große Netzbetreiber geltende Haftungsprivileg auch für Anbieter gilt, die "Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen". Das dies für “jede Form der Haftung für rechtswidriges Verhalten jeder Art" gelten soll, steht allerdings nur in der Begründung.

Die Opposition kritisierte den Entwurf wegen diesem aus Streit geborenem Kompromiss auch als unzureichend. Die Störerhaftung sei mit der Novelle nicht beseitigt worden, meint Konstantin von Notz, der netzpolitische Sprecher der Grünen.Stattdessen werde eine Entscheidung den Gerichten überlassen. Ein entscheidender Knoten sei damit nicht gelöst, kritisierte auch Petra Sitte von den Linken. Auch nach Ansicht von Experten wie Strafrichter Ulf Buermeyer und Heise-Justiziar Joerg Heidrich ist das neue TMG nur ein halber Fortschritt und hätte deutlicher formuliert werden müssen.

Vertreter der Koalition sprechen dennoch von einem Durchbruch. Einen “riesigen Innovationsschub für Deutschland” erwartet der netzpolitische Sprecher der SPD, Lars Klingbeil. Faktisch seien die Hürden für missbräuchliche Abmahnungen nun zu hoch, meint Thomas Jarzombek, Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für die digitale Agenda: “Es gibt keinen berechtigten Abmahnungsanspruch mehr.” Klarer habe das nicht formuliert werden können, weil das Gesetz sonst "nicht europarechtskonform" wäre. Auch der Verband der Internetwirtschaft eco teilt die Sorgen der Opposition nicht. “Wir gehen davon aus, dass die Rechtslage nun geklärt ist und WLAN-Anbieter nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sind, für rechtswidriges Verhalten ihrer Nutzer haften zu müssen“, sagte eco-Vorstand Oliver Süme.

Eine wichtige europäische Institution wird dazu demnächst noch etwas zu sagen haben. Der Europäische Gerichtshof urteilt im Laufe des Jahres in einem konkreten Fall, in dem der private Betreiber eines WLAN-Hotspots von einem Unternehmen der Musikindustrie abgemahnt worden war. Der EU-Generalanwalt in dem Verfahren hat bereits empfohlen, den WLAN-Betreiber stärker zu schützen, das Gericht muss dem aber nicht folgen. Sollte das Gericht das aber tun, könnte eine klare Ansage aus Luxemburg auch den Kompromiss der Koalition vom Kopf auf die Füße stellen.

Der Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) begrüßt zwar, dass mit der beschlossenen Änderung mehr Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter kommt, vermisst aber “Regelungen für die dunkle Seite des Netzes”. Damit kritisiert der Verband, dass eine zunächst geplante Verschärfung der Haftung von Sharehostern als “besonders gefahrgeneigte Dienste” nicht in das Gesetz geschafft hat. (vbr)