Besonderes elektronisches Anwaltspostfach muss einzeln freischaltbar sein

Das besondere elektronisches Anwaltspostfach darf nur mit Zustimmung des Anwaltes freigeschaltet werden. Dies entschied der Anwaltsgerichtshof in Berlin.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 85 Kommentare lesen
Hammer auf Richterbank

(Bild: dpa, Uli Deck)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Zum 29. September 2016 sollte – mit neunmonatiger Verspätung – das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) starten und den elektronischen Rechtsverkehr mit sicheren Übermittlungswegen beglücken. Dieser Termin steht nun zur Disposition, weil der Anwaltsgerichtshof Berlin entschieden hat, dass die für beA zuständige Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) verpflichtet ist, das Anwaltspostfach nur mit ausdrücklicher Zustimmung des jeweiligen Anwalts freizuschalten.

Die BRAK hatte argumentiert, dass das "von ihr zum beA entwickelte technische System" es softwaremäßig nicht erlaube, Anwaltspostfächer einzeln frei zu schalten. Jetzt müssen die von der BRAK beauftragen Firmen Atos und Governikus das System für geschätzte 500.000 Euro umprogrammieren.

Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs ist mehr als ein Erfolg für die gegen die Zwangsanschaltung des Postfachs klagenden Anwälte. Schließlich könnten in einem automatisch eingerichteten und empfangsbereiten Postfach Schriftstücke für einen Anwalt eingehen, die dieser womöglich gar nicht lesen kann. Dies kann der Fall sein, wenn der Anwalt noch nicht im Besitz der notwendigen Signaturkarte ist oder die mit Java funktionierende Software auf dem lokalen Rechner nicht installiert hat, die zum Öffnen des Anwaltspostfaches im Browser notwendig ist.

Nach Berichten von Beta-Testern des besonderen Anwaltspostfach ist die Installation nicht trivial. Überdies sollten einzelne Anwälte von der Nutzung dieses besonderen Postfaches ausgenommen werden können, wenn sie ausdrücklich dafür votiert haben, De-Mail als sicheres Post-System zu nutzen. Dies soll nach dem neuen § 130 a IV der Zivilprozessordnung ab 1. Januar 2018 vorgesehen sein.

Die Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof in Berlin wurde besonders von großen Kanzleien beobachtet. Es gibt Kanzleien mit mehr als 400 Anwälten, wo der gesamte Rechtsverkehr zentral auf Citrix-Servern stattfindet, die nur VPN-verschlüsselt zu erreichen sind. Die Verschlüsselung mit Signaturkarte, lokalem Karten-Lesegerät und einem Browser-Plugin wird hier als Bedrohung der gesamten IT-Sicherheit gesehen, zu der Alternativen gesucht werden.

Über das besondere Anwaltspostfach hinaus geht es im Konflikt zum elektronischen Rechtsverkehr der Justiz auch um die Frage, welche Rolle offene Standards spielen, die von Rechtsanwälten befürwortet werden. Wenn die Justiz elektronisch kommuniziert, kommt im nächsten Schritt die Frage, in welchen Dateiformaten Schriftstücke so ausgetauscht werden, dass Richter, Kläger und Beklagte über die Softwaresysteme hinweg dasselbe in den Verfahrensdokumenten lesen können. (axk)