Verfassungsschutzchef Maaßen: Snowden arbeitet wohl für Moskau

Dass der NSA-Whistleblower Edward Snowden ein russischer Spion sein könnte, lasse sich nicht ausschließen, orakelte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im NSA-Ausschuss. Die "Skandalisierung" der Geheimdienste käme den Russen zugute.

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Hans-Georg Maaßen

Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen

(Bild: dpa, Ralf Hirschberger/dpa)

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Kein gutes Haar an Edward Snowden ließ der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Es gebe eine "hohe Plausibilität", dass der Enthüller ein "Agent von russischen Diensten ist", erklärte er. Dies könne derzeit aber "nicht belegt werden". Sollte es so sein, wäre dies jedoch ein "herausragender Erfolg" für die Russen.

Es liege "ausgesprochen" nahe, dass der frühere NSA-Zuarbeiter Snowden vom Kreml abgeworben worden sei oder als "nützlicher Idealist geführt wird", erläuterte Maaßen auf Nachfrage des Linken André Hahn. Snowden twitterte prompt auf Deutsch zurück, dass es genauso wenig belegt sei, ob Maaßen nicht für Moskau spioniere.

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Der US-Amerikaner trete als selbstloser Whistleblower in Erscheinung, berichtete Maaßen. Seine Wirkung sei so deutlich größer als bei einem Doppelagenten, dessen Aussagen rasch wieder zu den Akten gelegt würden. Die "weltweite mediale Darstellung" über die Snowden-Dokumente habe dazu beigetragen, "dass das Verhältnis zu den USA zumindest zeitweise beschädigt wurde".

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Der vermeintliche Gutmensch "hat einen Keil zwischen die Partner getrieben", monierte Maaßen. Dies gelte vor allem für Deutschland und die USA. Schon durch den Bericht des Spiegel, dass die NSA täglich über den Bundesnachrichtendienst (BND) viele Millionen Metadaten in Deutschland abgreife, seien "die deutschen Nachrichtendienste in besonderer Weise beschädigt worden". Zudem seien "wichtige Informationen" durch den NSA-Ausschuss veröffentlicht worden, die den Russen etwa in der Ukraine-Krise zugegen gekommen sein dürften.

Generell betrieben russische Geheimdienste hervorragende Desinformations- und Einflusskampagnen, sagte weiter Maaßen aus. Es liege nahe, "wenn sich eine Person in Russland aufhält und man sich den Schaden ansieht, dass dies auch auf aktive Maßnahmen" russischer Nachrichtendienste zurückzuführen sei, kam er auf Snowden zurück. "Ich weiß nicht, ob er eingeschleust worden ist." Klar sei, dass der Kronzeuge der Affäre "die NSA ausgeplündert haben dürfte wie kein zweiter zuvor". Dieser "GAU" könnte auch eine Operation unter "falscher Flagge sein". Letztlich müsse Snowden "von der Geschichte beurteilt werden".

Wenig Freunde machte sich Maaßen unter den Abgeordneten mit der Klage, dass die "permanente Skandalisierung die Leistungsfähigkeit" des BfV und des BND schmälere. 106 Mitarbeiter seien allein beim Verfassungsschutz mit Anfragen und Beweisbeschlüssen aus dem Parlament beschäftigt und hätten bislang rund 40.000 Blatt Akten vorgelegt. Maaßen warnte: "Niemand sage im Falle eines Terroranschlags, das habe er nicht gehört."

Später ergänzte er, dass er dies "im Zusammenhang mit der immensen Belastung der Mitarbeiter zum Ausdruck gebracht" habe und die Prioritäten nun mal verlagert werden müssten, wobei er "nicht allein stehen" wolle. Andererseits beruhe auch die Legitimation des Hause "auf guter parlamentarischer Kontrolle".

Der Grüne Hans-Christian Ströbele wollte vom "obersten Spionenjäger" wissen, ob er sich nicht selbst "an der Spitze einer Desinformationskampagne" sehe und mit "Halb-, Unwahrheiten und Gerüchten" arbeite. Die Linke Martina Renner hatte das Gefühl, dass sich der Verfassungsschutz bewusst auf beiden Augen blind gestellt habe. Maaßen wies dies entschieden zurück. SPD-Obmann Christian Flisek hielt den Vorwurf, "dass Sie hier Informationspolitik betreiben", trotzdem "nicht für übertrieben". Der Befragte habe "reine Vermutungen vorgetragen".

"Wir reden die ganze Zeit über Behauptungen, keine Tatsachen", konterte Maaßen. Dass etwa von der US-Botschaft aus spioniert oder ein Spähangriff auf das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stattgefunden habe, sei auch nicht erwiesen etwa nur anhand einer Abschrift eines Datenblatts. Als Flisek Maaßen daraufhin aufforderte, seine Aussagen zu verdeutlichen, weigerte sich der Beamte und bat um eine Pause. Der große Eklat war im Anschluss erst einmal vom Tisch.

Als große Überraschung wertete Maaßen die Snowden-Enthüllungen trotz der ausgemachten zersetzenden Wirkungen nicht. Auch ohne dessen Dokumente "war bereits für jeden offensichtlich, dass die USA die absolute Vorherrschaft im Cyberraum anstrebten". Dies falle Washington auch leicht, da die "wesentliche" Informationstechnik einschließlich von Suchmaschinen und Apps amerikanisch sei und die Netzverkehre größtenteils über US-Server liefen.

Generell sei es kein Geheimnis gewesen, dass insbesondere die NSA "viele personelle und technische Ressourcen" für eine umfangreiche Netzspionage habe. Von Snowden sei nur noch der "wichtige Hinweis" gekommen, dass "die USA auch den Willen haben, dies zu tun". Die Europäer müssten sich da vorwerfen lassen, dass sie keine andere Wirtschaftspolitik betrieben hätten: "Wir stehen ziemlich nackt da."

Spionageabwehr ist für Maaßen weitgehend Prävention: "Wir können nur gebetsmühlenartig sensibilisieren." Das BfV empfehle Krypto-Telefonie, auch wenn die Bequemlichkeit oder besondere Umstände oft dazu führten, darauf zu verzichten. So habe sich der "Chef eines bescheidenen europäischen Dienstes" erst jüngst wieder bei ihm beschwert, dass deutsche Spitzenpolitiker immer noch in die strategische Fernmeldeüberwachung quasi als Beifang hineinliefen. Handys und Tablets seien jedenfalls "akut abgehörgefährdet", solange keine gesonderte Verschlüsselungstechnik eingesetzt werde.

Das NSA-Werkzeug XKeyscore will der Verfassungsschutz trotz der jahrelangen Tests laut Maaßen nach wie vor möglichst schnell in den Vollbetrieb nehmen, da es "ein großes Plus" beim Decodieren von Internetprotokollen mit sich bringe. Derzeit habe der Geheimdienst "erhebliche technische Probleme bei der Informationsgewinnung" in diesem Bereich. Noch werde aber überlegt, wie die eigene Überwachungsanlage Poseidon fortentwickelt und XKeyscore möglicherweise eingebunden werden könne. (kbe)