Seelenfrieden für Krebspatienten

Mit einem Bluttest lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen, ob Patienten wirklich von Darmkrebs geheilt sind oder nicht. Analysten sehen einen lukrativen neuen Markt entstehen.

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Von
  • Antonio Regalado
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Ein Bluttest kann Patienten verraten, ob sie den Kampf gegen Krebs gewonnen haben oder nicht. Das ist das Ergebnis einer Studie von Ärzten in Australien und von der Johns Hopkins University in den USA: Mit einer Technik namens Liquid Biopsy haben sie das Blut von 230 Patienten getestet, die wegen Darmkrebs operiert wurden, und konnten dadurch feststellen, bei welchen von ihnen die Tumore noch einmal zurückkehren dürften.

Die Studie wurde Anfang Juli in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine veröffentlicht. Sie zeigt, dass sich mit Hilfe von Flüssig-Biopsien prüfen lässt, ob Krebs-Überlebende dauerhaft geheilt sein dürften oder mit einer Rückkehr der Krankheit rechnen müssen.

Bei normalen Biopsien wird ein Stück des Tumors für Untersuchungen in ein Labor gebracht. Bei einer Liquid Biopsy dagegen durchsuchen Gen-Sequenziermaschinen das Blut eines Patienten nach winzigen Fragmenten mutierter DNA, die von sterbenden Krebszellen abgegeben werden; auf diese Weise lässt sich auch Krebs entdecken, der ansonsten verborgen bleibt. Einige Wissenschaftler sagen deshalb voraus, dass Flüssig-Biopsien zu einem universellen Screening-Test werden könnten, um Krebs möglichst früh zu erkennen, weil er dann am ehesten heilbar ist.

Investoren zeigen sich interessiert. Das Start-up Grail etwa entwickelt einen Test auf jegliche Krebsarten, der direkt in einer Arztpraxis vorgenommen werden kann. Es konnte Anfang dieses Jahres 100 Millionen Dollar Kapital aufnehmen. Geführt wird das Unternehmen von Jeff Huber, einem früheren Google-Manager, dessen Frau an Darnkrebs gestorben ist.

Bislang aber fehlte es an Beweisen aus großen kontrollierten Studien, die zeigen, dass Flüssig-Biopsien tatsächlich korrekte und nützliche Ergebnisse liefern.

Dies war die Motivation für die Studie des Onkologen Peter Gibbs vom Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research in Victoria, Australia, und Bert Vogelstein von der Johns Hopkins University. Sie untersuchten den Nutzen von Liquid Biopsy bei Patienten in einer sehr speziellen Lage mit Darmkrebs im zweiten Stadium.

In diesem Stadium ist der Krebs schon recht fortgeschritten, hat aber noch keine Metastasen ausgebildet, so dass 80 Prozent der Patienten mit Operationen geheilt werden können. Allerdings kann ein Teil des Tumors erhalten bleiben, so dass die Krankheit bei manchen wieder ausbrechen wird. Vor Liquid Biopsy gab es keine sehr exakte Methode, um zu unterscheiden, wer tatsächlich geheilt ist und wer zusätzlich eine Chemotherapie bräuchte, um die restlichen Krebszellen zu vernichten.

Das US-australische Team wollte also wissen, ob sich das mit Hilfe von Flüssig-Biopsien erkennen lässt. Die Ärzte analysierten während der Therapie mehrmals Blutproben von Darmkrebspatienten und beobachteten sie dann zwei Jahre lang. Weder den Patienten noch den Ärzten wurden die Ergebnisse der Tests verraten.

Wie sich zeigte, gab es bei 79 Prozent der Patienten, in deren Blut noch Tumor-DNA zu finden war, einen Rückfall; bei negativen Tests betrug diese Quote nur 9,8 Prozent. Das bedeutet, dass Ärzte mit dem Test feststellen könnten, wer dringend eine weitere Behandlung braucht. Und ein negatives Ergebnis kann Patienten beruhigen, dass sie mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit geheilt sind. Tacho Peterson, Analyst bei JP Morgan, bezeichnet das als "quantitativen Seelenfrieden".

Derartige Informationen dürften immer wertvoller werden, sagt Peterson voraus. Laut einer Marktstudie von vergangenem September werden Flüssig-Biopsien jeglicher Art bis 2020 ein Marktvolumen von 22 Milliarden pro Jahr erreichen; "prognostische" Tests wie in der Studie sollen rund ein Viertel davon ausmachen.

(sma)