Ist der Kaiserschnitt das Allheilmittel?

Eine herkömmliche Geburt bringt viele Risiken mit sich. Aber verteufeln sollte man sie trotzdem nicht.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Mit einer Geburt gehen viele Risken einher: für das Kind, aber auch für die Mutter. Letztlich spielen bei einer Entbindung so viele Faktoren eine Rolle, dass sich Verlauf, Komplikationen oder eventuelle bleibende Schäden kaum bis ins Detail voraussagen lassen. Nicht einmal die Risiken lassen sich genau beziffern. Trotzdem erwägen britische Gynäkologen nun, wie das Magazin New Scientist berichtet, werdende Mütter nicht nur bei Bedarf über die Risiken eines Kaiserschnitts aufzuklären, sondern generell ebenfalls umfassend über die Gefahren der herkömmlichen Geburt zu informieren.

Zu dem Schritt aufgefordert, fühlen sie sich von einem Urteil des Obersten Gerichtshofs Großbritanniens. Das Gericht hatte in diesem Frühjahr Nadine Montgomery, der Mutter eines behinderten Jungens namens Sam, eine Entschädigung in Höhe von mehr als fünf Millionen Pfund zugesprochen, nachdem die Diabeteskranke nicht über die Schwierigkeiten einer vaginalen Geburt in ihrem Fall aufgeklärt worden war: Sie hatte ein schmales Becken – und die Babys von Zuckerkranken sind meist relativ groß und schwer. Unter der Geburt kam es zu Komplikationen. Sam blieb stecken, erlitt einen Sauerstoffmangel und hat verschiedene ernsthafte Behinderungen davongetragen.

Betrachtet man diesen Fall, ist die Forderung nach Aufklärung der werdenden Mütter absolut plausibel. Die Richter gehen davon aus, dass sich Nadine Montgomery angesichts der Risiken (und hätte sie davon gewusst) wohl durchaus für einen Kaiserschnitt entschieden hätte. Gezielte Informationen über die wahrscheinlichen Risiken in dem jeweils speziellen Fall scheinen somit absolut angemessen. Etwas anderes aber mag es sein, Frauen generell eine Broschüre an die Hand zu geben, um sie über die hinlänglich bekannten Unwägbarkeiten während einer herkömmlichen Geburt noch einmal gezielt aufzuklären.

Eingehen könnten in solch ein Leaflet zusätzlich diverse statistische Daten: etwa, dass sich das Risiko, unter der Geburt eine Verletzung der Muskulatur des Beckenbodens zu erleiden jenseits der 30 jährlich um 6 Prozent erhöht. Außerdem ist laut New Scientist bei Erstgebärenden ab 38 die Chane für einen Dammriss, der auch den After mit einbezieht, um 15 Prozent höher. Überhaupt scheint sich abzuzeichnen, dass eine solche Broschüre die Möglichkeit, einen Dammriss zu erleiden, besonders zentral herausstellt. Das könnte viele Frauen stark verunsichern.

Dabei besteht die Gefahr, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Schon jetzt wird in Ländern wie den USA oder Deutschland bereits jedes dritte Kind mit Kaiserschnitt geboren. Aber auch ein Kaiserschnitt hat Nachteile: Es kann zu Infektionen, Blutverlust oder Blutgerinnseln kommen, spätere Geburten können beeinträchtigt werden und auch für die Kinder können sich Nachteile wie Probleme mit der Atmung ergeben.

Ein Für und Wider auf dieser allgemeinen Ebene fällt somit schwer. Vielleicht sollte statt einer solch allgemeinen unpersönlichen Aufklärung über Broschüren und Fragebögen eher auf eine konkrete, individuelle Beratung gesetzt werden. Wie auch der Prozess in Großbritannien offensichtlich zeigt: Hätte sich der zuständige Arzt die Zeit für ein eingehendes, offenes Beratungsgespräch genommen, ginge es Sam heute vielleicht gesundheitlich wesentlich besser. (inwu)