Warten auf die Erleuchtung

Bei einem der spektakulärsten frühen Kickstarter-Projekte ist das Geld ausgegangen – nach drei Jahren warten die Unterstützer noch immer auf ihre leuchtenden Pflanzen. Doch zumindest einer der Initiatoren macht unbeirrt weiter.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Wenn es um Biohacking geht, denken Viele als Erstes an die "leuchtende Pflanze“ – eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne aus dem Jahr 2013, die 484.013 Dollar zur Entwicklung von biolumineszenten Pflanzen einbrachte.

Das einzige Problem dabei: Das vom Projekt Glowing Plant versprochene Gewächs, das im Dunkeln sichtbar leuchten sollte, gibt es immer noch nicht. Die den Unterstützern versprochenen Samen sind schon zwei Jahre überfällig, so dass das Projekt auf dem besten Weg scheint, zu einem der Kickstarter-Misserfolge zu werden. Inzwischen ist ein Unternehmen namens Taxa Biotechnologies daraus geworden, das auf seiner Website weiter Samen vorverkauft, aber mit der Entwicklung nicht vorankommt.

Dabei klang zunächst alles so einfach. Die Macher hinter der Kickstarter-Kampagne wollten Gene von Leuchtkäfern oder biolumineszenten Bakterien drucken und sie in eine Pflanze einbringen, so dass sie ein grünliches Licht ausstrahlt. Jedem, der 40 Dollar beisteuerte, wurde eine Pflanze innerhalb von zwölf Monaten versprochen, für 150 Dollar sollte es eine leuchtende Rose geben. Das Kernziel des Projekts war, dem Genom von Tabakpflanzen sechs Gene hinzuzufügen und so einen vollständigen neuen Stoffwechselweg zu schaffen. Das aber erwies sich als ausgesprochen schwierig. Verbreitete genmodifizierte Pflanzen von Unternehmen wie Monsanto sind nicht annähernd so kompliziert.

"Es war eine schlechte Produktentscheidung. Sie lag am Rand dessen, was möglich ist", sagt Antony Evans, Mathematik-Student an der Cambridge University, ehemaliger Vermarkter von Mobil-Apps und Unternehmer, der als CEO von Taxa das Projekt leitet. "Ich bin persönlich sehr unglücklich darüber, dass wir noch nichts geliefert haben. Aber es ist auch nicht so, dass wir mit dem Geld abgehauen sind." Ganz im Gegenteil: Taxa hat das gesamte Kickstarter-Geld und sogar noch mehr ausgegeben. Die Gesamtsumme liegt inzwischen deutlich über 900.000 Dollar und umfasst auch Geld von Angel-Investoren.

Wenn das Projekt scheitert, würde die leuchtende Pflanze zu den größeren Kickstarter-Kampagnen zählen, die ihre Versprechungen nicht erfüllen. Laut Ethan Mollick, der sich als Professor an der Wharton School of Business mit Crowdfunding beschäftigt, ist das bei insgesamt 9 Prozent der Projekte auf der Plattform der Fall. Rechtlich ist das nicht zu beanstanden, doch es ist ein schwerer Makel, den sich die Gründer gern ersparen wollen.

Auch Evans gibt nicht einfach auf, sondern versucht derzeit, noch einmal 1 Million Dollar aufzunehmen. Dazu nutzt er Wefunder, eine Website, auf der private Anleger Anteile an riskanten neuen Unternehmen kaufen können. Der Dienst hat Ähnlichkeit mit Kickstarter, nur dass es hier statt Produkten Beteiligungen gibt. Laut Evans soll das frische Geld zunächst in ein anderes, besser zu realisierendes Produkt fließen: ein duftendes Moos mit nur einem Extra-Gen, das es nach Patschuli-Öl riechen lässt.

Die Lufterfrischer-Idee könnte das Unternehmen retten, wenn der Verkauf gut läuft. Aber einige tausend Kickstarter-Unterstützer warten dann immer noch auf ihre leuchtende Pflanze. "Wir wollen kein gescheitertes Kickstarter-Projekt sein, aber offensichtlich fehlen uns auch die Mittel, um das Geld zurückzuzahlen", sagt Evans. Wenn es Taxa nicht doch irgendwann gelinge, die Pflanzen herzustellen, werde er „das Richtige tun“ – zum Beispiel den Kickstarter-Förderern zumindest das Moos anbieten oder vielleicht sogar Anteile am Unternehmen.

Auf die Idee für das Pflanzen-Projekt kam Evans anfänglich zusammen mit Omri Amirav-Drory, dem CEO eines Bioinformatik-Unternehmens namens Genome Compiler, der glaubte, dass eine leuchtende Pflanze lukrativ und eine "tolle Story" für die entstehende Szene der Do-it-yourself-Biologie oder Biohacker sein könnte. Die beiden schlossen sich mit Kyle Taylor zusammen, einem Molekularbiologen und Stanford-PhD, der schon mit Biolumineszenz experimentiert hatte.

Mit Geld von Amirav-Drory produzierten Evans und Taylor ein professionelles Video, in dem sie versprachen, dass synthetische Biologie umweltfreundlichen Ersatz für elektrisches Licht liefern werde. Anfangs wollten sie nur 65.000 Dollar aufnehmen, doch daraus wurde rasch eine halbe Million.

Allerdings hatte das Team nicht damit gerechnet, wie schwierig es sein würde, die Pflanzen wirklich zu entwickeln. Sie kannten eine schwach leuchtende Tabakpflanze, die schon 2010 produziert worden war. Laut Alexander Krichevsky, dem Wissenschaftler dahinter, hat ihn die Entwicklung aber drei Jahre an einer gut ausgestatteten Universität gekostet. Für jeden Pflanzenbiologen sei deshalb von vornherein klar gewesen, dass die Zeitplanung von Taxa unrealistisch war. "Ich war von den Versprechungen überrascht", sagt er. "Sie haben drei Jahre lang nichts fertig bekommen, und ich bezweifle, dass sich das jemals ändern wird."

Taylor hat sich 2015 aus dem Projekt zurückgezogen und arbeitet jetzt an kommerziellem Saatgut. Evans macht weiter – nach seinem eigenen Tiefpunkt in diesem Februar: Taxa testete gerade Pflanzen, in die eine Art genetische Kassette eingefügt worden war. Das Team war sicher, dass dies seine erste selbstleuchtenden Pflanzen sein würden. Stattdessen aber zeigte sich, dass sie gar kein Licht abgaben. Offenbar war eines der Gene beim Einfügen in die Pflanze kaputtgegangen. "Da habe ich zum ersten Mal Zweifel bekommen, ob wir es jemals schaffen können", sagt Evans.

Trotzdem sorgt er dafür, dass Taxa auf Wefunder neues Geld bekommt. Bislang wurden Anteile im Wert von 250.000 Dollar verkauft, doch das Angebot läuft noch. Insgesamt ist das Unternehmen mit weniger als 7 Millionen Dollar bewertet.

Seine oberste Priorität sei jetzt die Wende von leuchtenden Pflanzen zu duftendem Moos, sagt Evans. Das sei notwendig, um das Unternehmen am Leben zu halten. Das Moos, im Auftrag von Taxa entwickelt von Spezialisten in Dänemark, sei viel einfacher herzustellen und könne vielleicht schon bald kommerziell angeboten werden. "Erst wird das Moos ausgeliefert. Dann kümmern wir uns um die Pflanze", sagt Evans.

Doch die Dokumente zum neuen Finanzierungsangebot von Taxa wecken Bedenken. So betont das Unternehmen, 650.000 Dollar an höchst profitablen "Vorbestellungen" für seine leuchtende Pflanze zu haben (diese Summe umfasst sowohl die Kickstarter-Unterstützer als auch Kunden von der Website, die vorab 100 Dollar pro Pflanze bezahlt haben). In der Realität aber gibt es bislang weder Pflanzen noch Profite, nur tausende Unterstützer, die auf ihre Belohnung warten.

(sma)