Routerzwang Reloaded

Seit dem 1. August ist das Gesetz zur Endgerätefreiheit am Internetanschluss in Kraft, die Anpassungsfrist für Provider zu Ende. Doch der freie Routermarkt ist fern, weil noch vieles im Argen liegt.

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Routerzwang Reloaded

(Bild: Dusan Zivadinovic)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic
Inhaltsverzeichnis

Seit dem gestrigen 1. August ist das Ende des Routerzwangs eigentlich besiegelt. Laut dem Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) gilt, dass jeder Netzbetreiber und Provider seinen Kunden die Wahl des Routers oder Modems für den Internet-Zugang überlassen muss. Nichts anderes kennt man beispielsweise vom Mobilfunkmarkt – der Aufschrei wäre groß, wenn ein Provider dem Smartphone-Nutzer das Modell vorschreiben wollte. Doch die Realität bei der Routerwahl sieht anders aus und das, obwohl der Router das zentrale Element für den Internet-Zugang darstellt.

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Im c't-Artikel 1. August ist Independence Day haben wir die Situation kurz vor dem Start des freien Routermarkts zusammengefasst und daraufhin etliche Zuschriften erhalten – daraus geht hervor, dass der freie Routermarkt für viele noch fern ist. Auf die prägnanten Problemfälle gehen wir im Weiteren stellvertretend ein. Man kann dabei generell zwei Kategorien von Beschwerden unterscheiden: Eine Gruppe von Verbrauchern setzt zu große Erwartungen an die gesetzliche Neuregelung; ihre durchaus berechtigten Anliegen sind jedoch nicht vom FTEG berücksichtigt. Die Fälle der zweiten Gruppe stehen zumindest moralisch unter dem Schirm des FTEG, aber ihre Provider lassen sie dennoch im Regen stehen.

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Versionshistorie des Artikels

Dieser Beitrag wird in unregelmäßigen Abständen erweitert und ggbf. korrigiert, um den aktuellen Stand wiederzugeben.

  • 2.8.2016, 17:20: Zitat aus FTEG § 11, Absatz 3, eingefügt
  • 2.8.2016, 17:55: 1und1 Routerzwang bei Verträgen ohne Laufzeit hinzugefügt
  • 3.8.2016, 12:40: auf Wunsch eines Leser einen Teil seines Zitats gestrichen

Das FTEG sichert die Endgerätefreiheit am Internet-Anschluss gesetzlich zu; als Voraussetzung dafür legt das FTEG den Übergabepunkt des Netzbetreibers fest. Das ist die Telefon- oder Koax-Dose. Andere Netzabschlüsse berücksichtigt das Gesetz nicht. Es steht den Providern daher frei, andere Dienste nur in Verbindung mit eigenen Geräten anzubieten. Dazu gehört beispielsweise das Hotspot-Angebot WLAN TO GO der Deutschen Telekom, sofern es Business-Tarife betrifft: In diesen Fällen ist der Dienst eine laut der Telekom-Hotline eine zusätzliche Option und Kunden können sich frei entscheiden, ob sie sie nutzen wollen oder nicht (Chat-Hotline der Telekom, Mitarbeiterin Steffi: "Optional ist es eigentlich nur bei unseren Business Tarifen").

Steffi schreibt auf Nachfrage von heise online: "In unseren Magenta Zuhause S, M und L Tarifen ist WLAN TO GO immer inklusive. Um es nutzen zu können benötigst du aber einen Router, der diese Technik unterstützt, wie den Speedport W 724V. Du kannst diesen für 4,95 Euro monatlich bei uns mieten oder für 149,99 Euro erwerben." Wenn ein Dienst wie in diesem Fall ein Vertragsgegenstand ist, dann sollte er mit jedem beliebigen Router nutzbar sein, also auch mit frei am Markt erhältlichen.

Den meisten Verbrauchern ist klar, dass sie nur als Neukunden gesetzlichen Anspruch auf Herausgabe von allen Zugangsdaten haben (§ 11 Inbetriebnahme und Anschlussrecht, Absatz 3, "Notwendige Zugangsdaten [..] haben sie [die Netzbetreiber und Anbieter von Telekommunikationsdiensten] dem Teilnehmer in Textform, unaufgefordert und kostenfrei bei Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen"). Einige Verwirrung entsteht aber dadurch, dass manche entgegenkommenden Provider auch ihren Bestandskunden alle Zugangsdaten mitteilen. Hingegen sind bei manchen Anbietern offenbar nicht alle Hotline-Mitarbeiter über Details der hauseigenen Richtlinien im Bilde.

Bei Unitymedia genügt eine formlose Anfrage, um Zugangsdaten zu erhalten, sofern der Anschluss nach April 2013 geschaltet worden ist. An älteren UnityMedia-Anschlüssen öffnet sich der Weg zum freien Routermarkt nur über eine Vertragsänderung, hilfsweise auch über einen Providerwechsel.

Für Bestandskunden von Vodafone ist die Lage aktuell nicht ganz so eindeutig. Albrecht Frei möchte sein bei Vertragsabschluss erhaltenes Motorola SBV5121 VoIP Cable gegen eine Fritzbox 7490 ersetzen. Frei berichtet: "Bei meinem Anruf bei der Vodafone-Hotline wurde mir erklärt, das nur die Cable Fritzbox [Modell 6490] als Upgrade-Pfad zur Verfügung steht." Jedoch führt der Provider in der hauseigenen FAQ noch zwei weitere Möglichkeiten an: "Die Zugangsdaten werden nur angezeigt, wenn Du einen eigenen Router direkt anschließt. Eine Möglichkeit wäre, ein eigenes DOCSIS 3-Modem anzuschließen und daran z. B. eine Fritzbox 7490 zu betreiben. Die SIP-Daten können dann in die Fritzbox eingetragen werden."

Der DSL-Anbieter Telefónica knüpft die Herausgabe der Zugangsdaten an Bedingungen: Bestandskunden erhalten "alle relevanten Zugangsdaten, wenn sie zum Beispiel umziehen, einen Produktwechsel vornehmen oder ihr Anschluss auf eine neue Technologie umgestellt wird". Offenbar gibt sie Telefónica aber nicht auf Anfrage zu einem aktuell laufenden Vertrag heraus. Welche Zugangsdaten die Neukunden bei Vertragsabschluss erhalten, führt Telefónica vorbildlich in einem separaten Dokument auf.

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Die Endgerätefreiheit sehen manche Anbieter als notwendiges Übel an und versuchen, Kunden mehr oder minder sanft dazu zu bringen, weiterhin Leihgeräte zu verwenden. Beispielsweise bietet 1und1 DSL-Tarife nur mit eigener Hardware an. Bei Verträgen mit 24-monatiger Laufzeit muss man im günstigsten Fall ein immerhin kostenfreies DSL-Modem nehmen. Bei Verträgen ohne Mindestlaufzeit verlangt der Anbieter sogar rund 150 Euro für dasselbe Modem. Aber wer einen eigenen Router mit integriertem Modem anschließt, braucht ein Modem natürlich nicht und möchte verständlicherweise den dann unsinnigen Versand und die Aufbewahrung vermeiden.

Vodafone stellt Verbraucher, die einen eigenen Router anschließen möchten, schlechter: "Einige Dienste werden bei Deinem eigenen Gerät nicht unterstützt". Im weiteren führt die Firma nur den Homespot-Service auf, welche weiteren Nachteile eventuell in Kauf zu nehmen sind, bleibt offen (Vodafone-FAQ zur Endgerätefreiheit am Kabelanschluss). Und für eine zweite Telefon-Leitung möchte Vodafone den hauseigenen Homebox-Router vorschreiben (Fritzbox 6490). Auch bei der Verwendung von mehr als drei Rufnummern führe an dieser "Option" kein Weg vorbei.

Das Vorgehen klingt zumindest anrüchig, denn Dienste, die am Netzabschlusspunkt vertraglich zugesichert sind, müssen unabhängig von der Hardware funktionieren, die daran angeschlossen ist. Es ist leicht abzusehen, dass solche Klauseln Verbraucherschützer auf den Plan rufen werden. Unterstützung kann man auch von der Bundesnetzagentur erwarten.

Vodafone-Kunde Wolfgang K. wertet das als Leistungskürzung: "Bei Anschlüssen mit einem Zwangsrouter (Homebox 7270, 6390 oder 6490) umfasst der Service von Kabel Deutschland [inzwischen Teil von Vodafone] zwei gleichzeitige Gespräche („Leitungen“) mit bis zu 10 Telefonnummern. Wenn man nun einen eigenen (baugleichen) Router anschließt, wird der Service auf eine „Leitung“ reduziert und man verfügt nur über bis zu 3 Telefonnummern – offensichtlich ohne technischen Grund. Das stellt nach meiner Auffassung keine zulässige Umsetzung der Routerfreiheit dar – es gibt keine Wahlfreiheit, sondern erheblich reduzierte Leistungen. Bei UnityMedia gibt es keine Leistungseinschränkungen, wenn man einen eigenen Router anschließt."

Auch der Magdeburger regionale Anbieter MDDSL schließt laufende Verträge klar von der freien Routerwahl aus. Zusätzlich gewährt es Kunden, die eigene Hardware anschließen möchten, schlechtere Konditionen: "Mit Abschluss eines neuen Vertrages können Sie ein eigenes Modem nutzen. Damit stehen Ihnen Tarife bis 18.000 KBit/s im Download ohne Telefon-Option zur Verfügung." Eine Bandbreiten-Garantie und Service verweigert MDDSL dann; bei Problemen mit "Stabilität und Verfügbarkeit" solle man sich an den Modem-Hersteller wenden. MDDSL-Kunde Marcus Scholz führt für seinen laufenden Vertrag, der ein Modem von MDDSL einschließt, weit bessere Konditionen auf: "Derzeit bekommen wir eine Internet- und Telefonflat mit 32 MBit/s in Downlink-Richtung und rund 3 MBit/s im Uplink sowie einen Festnetzanschluss über VoIP mit 3 Rufnummern. Die Bandbreite wird uns sogar garantiert".

Die Deutsche Telekom ist zwar als DSL-Anbieter bekannt, aber über das Unternehmen Congstar hat der Konzern auch einige Kabelanschlüsse übernommen, die zuvor TeleColumbus geschaltet hatte. Marcus Zwandula wollte an einem solchen Kabelanschluss einen eigenen Router betreiben und bekam von der Hotline seines Anbieters eine verwirrende, aber letztlich abschlägige Antwort: "Eine Einrichtung mit Eingabe von SIP-Zugangsdaten [ist] nicht möglich da es für einen Kabelanschluss keine Zugangsdaten gibt."

Letzteres stimmt zwar, Kabelmodems und Router, die gemäß EuroDOCSIS 3.0 ausgelegt sind, arbeiten ohne Zugangsdaten, wenn man den Internet-Dienst betrachtet. Aber sie verwenden durchaus Zugangsdaten für die VoIP-Telefonie und diese sollte der Betreiber zumindest bei Neuverträgen herausgeben. Andernfalls dürfte die Firma in einem Rechtsstreit unterliegen.

Auch Routerhersteller müssen gegen Bremsversuche von Providern strampeln. Interessierte Firmen können ihre Geräte im Prinzip erst seit dem Stichtag für den freien Markt vorbereiten, denn bisher fehlten die Schnittstellenbeschreibungen für viele zuvor abgeschottete Netze. Die Schnittstellenbeschreibungen abzufassen, sollte keine Herausforderung sein, denn die Betreiber setzen in aller Regel auf gängige Spezifikationen. Aber obwohl sie ab Januar 2016 sechs Monate Zeit dafür hatten, legten sie die Daten erst kurz vor der Deadline offen.

Einer der wenigen Kabelrouter für den freien Markt: TP-Link Archer 700v.

(Bild: TP-Link)

Zum Beispiel hat der Berliner Kabelbetreiber TeleColumbus seine Spezifikationen zwei Tage vor dem Stichtag auf seine Web-Seite gestellt. UnityMedia reagierte mit einem Blogeintrag zur Schnittstellenbeschreibung zur noch ein wenig später, ebenso wie Vodafone mit einem eigenen Beitrag auf der Firmen-Webseite. Unterm Strich können Routerhersteller erst jetzt mit Prüfungen der Anschlussvoraussetzungen beginnen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.

In einzelnen Fällen kann das zu erheblichen Verzögerungen beim Routerangebot führen. Der Kabelanbieter Telecolumbus wickelt in seinem die VoIP-Telefonie nicht wie üblich über das SIP-Verfahren ab (Details dazu beschreiben wir im Artikel Die richtige Fritzbox: Auswahl und Konfiguration). Eine frei am Markt erworbene Fritzbox 6490 Cable kann man an solchen Anschlüssen zurzeit zwar für Datenverbindungen nutzen, muss für die Telefonie aber zumindest vorübergehend auf SIP-Anbieter wie Dus.net oder Sipgate ausweichen, bis AVM eine Lösung anbietet.

Entsprechend dem späten Start ist der freie Routermarkt für Kabelanschlüsse noch sehr überschaubar. AVM bietet seit dem gestrigen 1.8. seine Fritzbox 6490 Cable im Handel an, das nächste Spitzenmodell, die Fritzbox 6590 Cable soll im Laufe der nächsten Monate hinzukommen. AVM geht davon aus, "dass die Fritzbox 6490 Cable, die ab sofort im Handel erhältlich ist, bei den meisten Providern auf Anhieb" in Betrieb genommen werden kann. Urban Bastert, Sprecher der Firma erklärt: "Die beiden großen Provider Vodafone und UnityMedia haben ja ihre Anmeldeverfahren veröffentlicht". Bei größeren regionalen Providern wie Wilhelm.tel oder Netcologne schält sich noch heraus, wie es sein wird.

Daneben hat immerhin schon mal TP-Link ein Angebot für Kabelkunden, das Kabelmodem TC-7610 und den Router Archer CR700v. Der CR700v bringt ein Gigabit-WLAN-Modul mit, das gemäß der IEEE-Norm 802.11ac ausgelegt ist (brutto max. 1300 MBit/s im 5 GHz-Band, 450 MBit/s im 2,4-GHz). Daneben gehören zwei USB-Ports, zwei RJ11-Schnittstellen und vier Gigabit-LAN-Ports zur Ausstattung.

In den USA wird der Kabelrouter schon seit einiger Zeit für rund 150 US-Dollar angeboten. Von einem Import sollte man dennoch absehen, bis sicher ist, an welchen hiesigen Kabelanschlüssen das Gerät uneingeschränkt nutzbar ist. Man kann davon ausgehen, dass auch TP-Link für den einen oder anderen Provider Anpassungen vornehmen muss und bislang scheint das Gerät noch kein deutscher Händler zu führen. (dz)