Pokémon World Championships 2016: Monstertrainer-WM in San Francisco

In San Francisco fanden am Wochenende die 13. Pokémon World Championships statt. Preisgelder von über einer halben Million US-Dollar zogen 1762 Teilnehmer aus über 40 Ländern nach Kalifornien. Vom Mobil-Hit Pokémon Go fehlte indes jede Spur.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Pokémon World Championships 2016: Monstertrainer-WM in San Francisco

(Bild: Roland Austinat)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Roland Austinat
Inhaltsverzeichnis

Schon seit 2004 messen Pokémon-Trainer aus aller Welt im Rahmen der Pokémon World Championships ihr Geschick mit dem Sammelkartenspiel um die bunt-abgefahrenen Monster. Fünf Jahre später kamen dann die Videospiele für Nintendos Mobilkonsole 3DS dazu – aktuell sind das Pokémon Omega Ruby und Alpha Sapphire. Sowohl beim Kartenspiel als auch den 3DS-Titeln müssen Pokémon-Fans bei nationalen Meisterschaften in fünf Regionen genug Punkte sammeln, um sich für das Finalturnier zu qualifizieren. Dieses findet stets an wechselnden Orten in den USA statt.

2016 wurde erstmals auch ein Champion im Cartoon-Prügler Pokémon Tekken gesucht. Das Spiel ist weltweit unter dem Namen Pokkén Tournament bekannt, der in Deutschland jedoch zu sehr an die Pocken erinnert und deshalb umgetauft wurde.

Rund 130 Schiedsrichter in weißen Laborkitteln und freiwillige Helfer in roten T-Shirts halfen von Freitag bis Sonntag 1762 Wettkämpfern aus über 40 Ländern sowie hunderten von Begleitern und Besuchern durch das Turnier. Auch Dolmetscher standen allzeit bereit, denn gerade die bis zu zwölf Jahre alten Mitspieler der Junior Divison hatten oft noch nicht allzu viel Englisch in der Schule. Als Senior startet, wer zwischen 13 und 15 Jahre alt ist, während Teilnehmer in der Masters Division spätestens 2000 geboren sein durften.

Pokémon World Championship 2016 (8 Bilder)

Grellgelber Pokal: Diese Pikachu-Statue winkte allen Gewinnern der Sammelkarten- und Videospielturniere bei den Pokémon World Championships 2016.
(Bild: Roland Austinat)

Obwohl in allen drei Kategorien jeweils zwei Spieler gegeneinander antreten, standen an diesem Wochenende Spaß und Völkerverständigung ganz weit oben – selbst bei den jüngsten Teilnehmern. Der elfjährige Carl Orvista aus Neuseeland spielte beispielsweise selbst nach dem offiziellen Ende des Sammelkartenturniers begeistert eine Partie mit dem zehnjährigen Riku Ushirosako aus Japan. Während Carl die zweitägige Qualifikationsphase nicht überstanden hatte, wartete Riku auf die abschließende Ehrung der Sieger: Er hatte den mit 15.000 US-Dollar dotierten zweiten Platz der Junior Division belegt.

Diese Prämie bekommen Riku Ushirosako und alle anderen Sieger unter 18 Jahren jedoch nicht in bar ausgezahlt. Sie wird stattdessen zweckgebunden wahlweise als Stipendium zur Begleichung von Schul- und Studiengebühren oder zur Aufstockung der Reisekasse überwiesen, erklärt uns Ritchie Enticknap von der Pokémon Company. Alle älteren Spieler können sich hingegen zwischen Bargeld oder Ausbildungsfinanzierung entscheiden. Um die Reisekosten müssen sich die vier bis 16 Bestplatzierten der lokalen Meisterschaften keine Sorgen machen – die übernimmt der Ausrichter von vorneherein.

Die Turnierteilnehmer passen auch altersklassenübergreifend aufeinander auf. So erzählt Ritchie Enticknap von einem Jungen, der bei einer Vorausscheidung in England nicht alt genug war, um beim ab sieben Jahren freigegebenen Pokkén Tournament anzutreten. Alternativ hätte er beim Sammelkartenturnier starten können, doch er hatte sein Deck daheim gelassen. "Da flossen natürlich die Tränen", erinnert sich Enticknap. "Die anderen Spieler fragten den Jungen daraufhin kurzentschlossen, aus welchen Karten sein Deck denn bestünde – und als er ihnen eine Liste aufschrieb, stellten sie es ihm aus ihren eigenen Karten zusammen."

Diese Gemeinschaft begeistert auch Markus Stadter aus Deutschland. Für den 21-jährigen Psychologiestudenten ist San Francisco schon die fünfte Pokémon-WM. Er verpasste den Einzug ins 3DS-Masters nur knapp, belegte aber den mit stattlichen 5000 US-Dollar dotierten dritten Platz. "Eigentlich wollte ich nur einmal zum Finale und mir dann ein anderes Hobby suchen", lacht Stadter. "Doch nachdem ich 2012 als Paris-Zweitplatzierter die World Championships auf Hawaii besucht und die Community aus aller Welt kennengelernt hatte, bin ich dabeigeblieben. Mit den Jahren sind dicke Freundschaften entstanden, und da ist die WM die einzige Möglichkeit, alle Freunde wiederzusehen." Etwa Wolfe Glick, der etwas später das Masters-Finale gewinnen sollte.

Während sich die Regeln klassischer Sportarten höchstens in glazialer Geschwindigkeit verändern, müssen sich Pokémon-Sammelkarten- und Videospieler an immer neue Karten und Module anpassen – und an ein daraus ständig wechselndes Meta-Gameplay. "Eine Strategie, die einen in diesem Jahr ins Finale gebracht hat, mag ein Jahr später absolut wertlos sein", erklärt Markus Stadter. Alle zwei Jahre erscheint beispielsweise ein neues 3DS-Spiel der Hauptserie mit neuen Pokémon, am 18. November sind das die Ausgaben Sonne und Mond. Selbst in Jahren ohne einen neuen Titel gibt es neue Pokémon, die das Turnier aufmischen.

Ein Unterschied zu anderen Videospielturnieren: "Bei Pokémon kommt es nicht darauf an, wie schnell man tippen oder mit der Maus klicken kann", sagt Stadter. "Ich trainiere deshalb auch nicht das ganze Jahr über, sondern teste erst vor einem Turnier neue Strategien gegen Freunde aus der ganzen Welt.". Ohne die kommt man nicht weit: Im 3DS-Titel führen zwei Spieler in einer 45 Sekunden langen Runde gleichzeitig die Aktionen ihrer insgesamt sechs Monster aus, um in der nächsten Runde auf die Aktionen ihres Gegners zu reagieren. Erfahrene Spieler planen wie beim Schach mehrere Züge im Voraus – deswegen wirkte insbesondere das Masters-Finale am Sonntag etwas zäh. Doch viele Teilnehmer bestätigten uns, dass es sich um eins der strategischsten Duelle aller Zeiten gehandelt habe.

Ein Spiel war auf der WM verdächtig abwesend: Pokémon Go. Nicht zuletzt wohl deshalb, weil darin bislang weder Duelle noch Monstertausch möglich sind. Markus Stadter freute sich immerhin, den exklusiv in Nordamerika umherstreifenden Tauros gefangen zu haben – und dass in seinem Freundeskreis auch diejenigen Pokémon Go ausprobiert haben, die Karten- und Videospiele bislang eher links liegengelassen haben.

Was auf den Pokémon World Championships ebenfalls fehlte, waren die Zuschauer. In vergangenen Jahren war der Event öffentlich, in San Francisco durften bis auf wenige Tagesgäste, die ab 7 Uhr früh in einer Schlange auf Einlass hoffen mussten, nur geladene Spieler und ihre Familien den Austragungsort betreten. Neben dem im Vergleich zu früher kleineren Veranstaltungsort war wohl die Angst vor Terror einer der Hauptgründe: Bei der letzten WM in Boston wäre es beinahe zu einem Amoklauf gekommen. Daher wollten die Veranstalter in diesem Jahr wohl auf Nummer sicher gehen und streamten stattdessen alle wichtigen Matches. Lichtstreif am Horizont: Die World Championships 2017 finden in Anaheim statt. Dort gibt es Platz satt, denn dort zelebriert auch Spielestudio Blizzard Entertainment mit Tausenden von Fans jedes Jahr die Hausmesse BlizzCon. (hag)