Ex-Kommissionspräsident Barroso verliert Privilegien

Kommissionspräsident Juncker versucht nach dem Wechsel seines Vorgängers zu Goldman Sachs Glaubwürdigkeit zu retten

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Für den konservativen Portugiesen José Manuel Barroso geht "das Geschäft vor der Moral", meint man in der Tagesschau. Tatsächlich hat es ein "Geschmäckle", wenn der frühere EU-Kommissionspräsident bei der US-Investmentbank Goldman Sachs anheuert. Ohnehin hatte Barroso schon eine Politik in Brüssel verfolgt, die ganz auf der Linie der Bank lag, deren Interessen soll er nun als Lobbyist im Rahmen des Brexit durchsetzen.

Doch nun verliert der "Präsident ohne Geschäftsbereich" bei Goldman Sachs International (GSI) seine Privilegien in Brüssel. Sein Nachfolger Jean-Claude Juncker will den Vorgang vom Ethik-Komitee der EU untersuchen lassen. Untersucht werden soll auch, ob sich Barroso an die Vorschrift gehalten hat, dass ehemalige Kommissionsmitglieder "ehrenhaft und zurückhaltend" sein sollen, wenn sie neue Posten einnehmen. Sollte Barroso dagegen verstoßen haben, könnte man versuchen, ihm über den Europäischen Gerichtshof die Pensionsgelder zu streichen.

Merkel und Barroso auf dem EPP-Gipfel in Brüssel im Mai 2014. (Bild: Bild: EPP/CC BY 2.0 )

Die direkte Auswirkung ist, dass Barroso "nicht mehr als ehemaliger Kommissionschef" behandelt wird, "sondern als normaler Interessenvertreter", teilte ein EU-Sprecher in Brüssel mit Verweis auf angeblich "strenge Regeln" mit. Er erhält keinen privilegierten Zugang mehr und muss jetzt wieder durch die Sicherheitsschleuse. Vermutlich ist das auch die gesamte Konsequenz. Denn juristisch ist ihm kaum etwas anzuhaben, da er genug Zeit verstreichen ließ, bevor er bei der Investmentbank angeheuert hat. Tatsächlich sind die Vorschriften lasch und man darf gespannt sein, ob sich daran was ändert, auch wenn es die Lobbyisten von Goldman Sachs auf Chefposten schaffen, wie Mario Draghi bei der Europäischen Zentralbank.

Juncker versucht wohl vor allem, das Image seiner Kommission aufzubessern, schließlich ist die bis hinauf zu ihrem Chef umstritten. Denn der ist ja für Steuerdeals in seiner Heimat Luxemburg verantwortlich. Und dann ist da noch der ehemalige Öl-Lobbyist Arias Cañete. Der Spanier wurde ausgerechnet EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie, obwohl er seit Jahren heftig umstritten ist. Juncker hat in dem Fall nicht einmal Konsequenzen gezogen, obwohl Cañete im Rahmen der Steuervermeidung in den Panama Papers auftauchte, zudem soll er auch in einen massiven Korruptionsskandal verwickelt sein, wo es um viel Geld aus Brüssel geht.

Somit scheint man es vor allem mit einer Propagandakation zu tun zu haben. Dafür spricht auch, dass sich Juncker alles andere als mit Kritik hervortat, als Barroso vor zwei Monaten bei Goldman Sachs angeheuert hat. Letztlich handelt er nun nur unter Druck, weil nach der Sommerpause die EU-Ombudsfrau Emily O'Reilly bei ihm in einem Brief nachgefragt hat, ob Barroso seine Kenntnisse und Kontakte missbrauchen könnte.