Nicht Nachdenken ist auch keine Lösung

Bloß weil Maschinenethik aussieht, wie ein Freizeitspaß für unterforderte Philosophen, ist sie noch lange nicht irrelevant.

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Da ist sie wieder: Die Diskussion um die – noch nicht real existierenden – autonomen Autos und ihre Gefährlichkeit.

Ich hab's zwar schon immer gesagt: Man kann Maschinen nicht trauen. Aber dass die Zukunft so schnell kommt, kann ja keiner ahnen.

Nun hat sich ausgerechnet der Abteilungsleiter für "Aktive Sicherheit" im Daimler-Konzern in einem Interview verplappert und gegenüber dem US-Magazin Car and Driver die Ansicht vertreten, ein autonomes Auto sollte bei einem Unfall im Zweifel immer erst mal die Insassen schützen.

Das war PR-technisch nicht ganz so gelungen und Daimler ruderte schnell wieder zurück. Aber die Geschichte ist nun mal in der Welt. Mehrere, eher autoaffine, Kollegen werden jetzt wieder gequält seufzen, denn sie halten die ganze Debatte um autonome Autos für vollkommen überflüssig.

Erstens, meint zum Beispiel mein Redaktionskollege Karsten Schäfer, wäre es verfrüht, beim Tesla beispielsweise von einem autonomen Auto zu sprechen. "Offenbar hat der Hype um „autonome“ Fahrzeuge vielen Menschen den Kopf verdreht", schrieb Karsten in der August-Ausgabe von TR. "Denn selbstfahrende Autos, die generell keinen Fahrer mehr brauchen, sind heutige Modelle noch längst nicht. Von ihnen sind wir noch weit entfernt."

Und der Kollege Clemens Gleich argumentierte in der Oktober-Ausgabe das Problem als irrelevant weg: "Der Programmierer versucht, die Anzahl tragischer Fehler zu messen und algorithmisch zu reduzieren. Mit höchster Wahrscheinlichkeit wird er dabei feststellen, dass es besser ist, bei jeder gefährdeten Person sofort zu bremsen, als erst einmal Personen im Umkreis zu zählen oder gar zu identifizieren und Möglichkeiten abzuwägen."

Ist die Diskussion um moralische Maschinen also tatsächlich überflüssig? Natürlich nicht.

Spätestens wenn nach einem Unfall eines autonomen Autos der erste Hersteller in Grund und Boden verklagt wird, werden die Software-Hersteller sich gut überlegen, ob sie nur auf die Kraft der Statistik vertrauen wollen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es dann in der Software auch "Ethik-Module" gibt, die sicherstellen sollen, dass der Auto-Hersteller nach bestem Wissen und Gewissen versucht hat, den Schaden bei einem Unfall möglichst klein zu halten. Und ich kann mir genauso gut vorstellen, dass diese Module natürlich nicht offen zugänglich sind.

Je mehr Algorithmen in unser tägliches Leben eingreifen, desto mehr müssen wir versuchen, zu verstehen, was da passiert. Das darf keine Black Box sein. Schon gar nicht, wenn es um Leben und Tod geht. Deswegen sollten wir die Diskussion um Maschinenethik nicht ignorieren, sondern uns ganz genau ansehen, was da passiert. Auch wenn das auf den ersten Blick aussieht, wie der Freizeitspaß für gelangweilte Philosophie-Doktoranden. Nicht Nachdenken ist auch keine Lösung. Zumindest nicht immer. (wst)