Musikstreaming: "200 Euro für 100.000 Klicks ist ein Witz"

Streaming wird den Musikkauf ablösen, das steht fest. Aber bis es für Nutzer und Künstler richtig hilfreich ist, muss sich noch einiges ändern. Ein Erfahrungsbericht des Musikers Ekki Maas.

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Von
  • Hans Dorsch

Maas ist Musiker und Musikproduzent. Mit seiner Band Erdmöbel hat er seit 1996 zwölf Alben veröffentlicht, die letzten beiden beim eigenen Label. Sie sind in Musik-Streamingdiensten nicht mehr verfügbar.

Unsere letzte Platte "Geschenk +3" hatte bei Spotify 100.000 Klicks. Dafür bekamen wir rund 600 Euro. Das ist ein Witz. Wenn wir das noch mit einer Plattenfirma hätten teilen müssen, wären es nur noch 200 Euro gewesen. Das ist ein totaler Witz. Gleichzeitig hatten wir Einbußen bei den CD- und Download-Verkäufen. 1000 verkaufte CDs weniger machen sich bei uns im Geldbeutel wirklich bemerkbar. Das sind immerhin 7500 Euro.

Für Hörer ist Streaming natürlich toll. Ich selbst nutze die Dienste ja auch, etwa Deezer. Ich lese öfter Bücher über Musik. Wenn dann von einem bestimmten Song die Rede ist, kann ich den eben mal hören. Aber für Musiker? Ganz ärgerlich ist die Verknüpfung mit anderen Diensten: Zu meinem Handy-Vertrag bei Vodafone, der sowieso schon so billig ist, bekomme ich Deezer dazu und kann umsonst Musik hören. Das ist pervers. Das führt natürlich dazu, dass die Musiker schlecht bezahlt werden. Auch die Freiwilligkeit ist nicht mehr gegeben.

Wir haben unsere Alben daraufhin herausgenommen, denn wir brauchen dieses Geld. Nicht, um reich zu werden, sondern um die nächste Platte zu finanzieren. Die Produktion kostet mehrere Zehntausend Euro. Dazu noch Promo, Grafik und Videos. Und dann muss man natürlich auch ein bisschen Geld haben, um überhaupt auf Tournee gehen zu können. Es wird ja immer gesagt: "Der Musiker verdient live sein Geld." Das stimmt aber so nicht. Es ist nicht einfach, mit Konzerten Geld zu verdienen. Wenn man Glück hat, berichtet die Presse, man wird bekannter, und man verkauft dadurch auch mehr Platten.

Streamingdienste sagen: "Wir sind wie Radio. Nur müssen wir das Ganze eben durch die Hörer dieses Radios teilen. Da bleibt nicht viel über." Kann sein, aber Streaming wird die CD- und Plattenkäufe ersetzen – komplett. Dann bleiben den Künstlern nur diese winzigen Beträge. Richtig verdienen kann da nur, wer einen Welthit hat. Das muss sich ändern. Es müsste ein realer Betrag darauf ausgesetzt werden, dass mein Song gespielt wird. Und den müsste ich bekommen. So geht das normalerweise.

Mein zweites Problem mit Streamingdiensten ist ein inhaltliches: Sie haben so viel Musik. Selbst wenn sie wollten, kämen sie mit der redaktionellen Aufarbeitung nicht hinterher. Es dauert Jahrzehnte, bis sie Ordnung in den Plattenkatalog eines Künstlers gebracht haben, von dem es ungefähr 100 Compilations gibt. Wenn ich Henry Mancini suche, werden mir ganz viele Sachen angezeigt, die aber nicht chronologisch geordnet sind. Und natürlich gibt es auch keine Informationen zu den Platten. Ich kann also nicht sehen, wer da mitgespielt hat, wer das produziert hat oder wo und wann ein Stück aufgenommen worden ist. Oft stimmen auch die Jahreszahlen nicht, weil niemand sich die Mühe gemacht hat, sie nachzuschauen. Dann steht 2003 drauf, weil das Album in diesem Jahr als CD rausgekommen ist, obwohl es eigentlich aus den 60ern ist. Die richtigen Daten gibt es im Netz, zum Beispiel bei allmusic.com. Aber der Rechercheaufwand gleicht einer Examensarbeit an der Uni.

Ich habe mit Facebook eine persönliche Möglichkeit gefunden, auf Projekte, Platten oder sonstige Musik aufmerksam zu machen. Ein guter Freund sagt, Spotify sei ganz ähnlich. Da gebe es tausend Möglichkeiten. Da bist du plötzlich mit deinem Kinderlied in der Gruppe Kinderlieder. Dadurch kann das jemand finden und deine Musik entdecken. Stimmt alles. Aber ich fänd's toll, wenn Streaming so toll wäre, wie ich mir das wünsche. (bsc)