Nie gesehene Bilder

Aus Satellitenaufnahmen hat das DLR dreidimensionale Modelle von berühmten Gipfeln erstellt. So entstehen Bilder, die mit normalen Kameras nicht machbar wären.

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Sechsmal war Gerlinde Kaltenbrunner bereits am K2 gescheitert. Der letzte Versuch im August 2010 endete in einer Tragödie: Vor ihren Augen stürzte ihr Kletterpartner Fredrik Ericsson in den Tod. Doch sie gab nicht auf. Ihren siebten Versuch wollte sie im folgenden Jahr starten.

Stefan Dech, Spezialist für Satellitenfernerkundung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, hatte Gerlinde Kaltenbrunner auf einem Vortrag erlebt und beschlossen, ihr zu helfen. Dazu ließ er die in 700 Kilometern Höhe kreisenden Pléiades-Satelliten Serienaufnahmen des K2 machen. Daraus, wie sich die Winkel zwischen den Bildpunkten von Aufnahme zu Aufnahme verändern, lässt sich deren Höhe rekonstruieren.

Aus diesen Daten errechnet eine Software ein dreidimensionales Geländemodell. Wird es mit einer "Textur" aus einem zweidimensionalen Satellitenfoto bezogen, sieht es zunächst aus wie eine normale Luftaufnahme. Entscheidender Unterschied: Der Kamerastandpunkt lässt sich beliebig festlegen – auch dorthin, wo in der Natur Nachbarberge die Sicht versperren, oder in Höhen, in die keine Kameradrohne aufsteigen kann. Tages- und Jahreszeit lassen sich beliebig simulieren. So entstehen neue, nie gesehene Bilder.

Mit diesem Prinzip hat das DLR noch zwölf weitere Berge porträtiert – neben Klassikern wie Mount Everest, Matterhorn oder Montblanc auch Exoten, etwa den Ushba (das "Matterhorn des Kaukasus") oder den Masherbrum (seit 1985 nicht mehr erfolgreich bestiegen).

Das Ergebnis liegt jetzt als opulenter Bildband vor. Jeder Berg ist mit vier großen Aufnahmen verewigt, eine Karte gibt Position, Blickwinkel, Brennweite und Höhe der virtuellen Kamera an. Reinhold Messner hat Texte zur alpinistischen Bedeutung der Gipfel beigesteuert, dazu kommen historische und aktuelle Expeditionsberichte. Ein Info-Kasten zu den geologischen Besonderheiten rundet das Ganze ab.

So faszinierend die detailreichen Bilder auch sein mögen – ihren ganzen Reiz dürften die 3D-Modelle erst zeigen, wenn man sie wie Gerlinde Kaltenbrunner nutzt. Zur Vorbereitung ihrer siebten K2-Expedition durfte sie beim DLR mit einer 3D-Brille virtuell über ihre Aufstiegsroute fliegen. "Manche Abschnitte, die wir eigentlich in Betracht gezogen haben, erscheinen fast unmöglich. Zu viel Eis, zu lawinengefährdet", berichtet sie. "An anderen Stellen eröffnen sich neue Möglichkeiten. Auch gute Positionen für Zeltplätze werden klar."

Die Vorbereitungen scheinen geholfen zu haben. Am 23. August 2011 erreichte Kaltenbrunner gemeinsam mit ihren Begleitern den Gipfel des K2. Damit war sie die erste Frau, die alle 14 Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen hat.

Stefan Dech, Reinhold Messner, Nils Sparwasser: M4 Mountains – Die vierte Dimension, Malik, 240 Seiten, 50 Euro (bsc)