Polizei muss Kletteraktivistin Schmerzensgeld zahlen

Sie wurde rechtswidrig zwei Stunden bei einem Protest gegen den Atom- und Kohlekonzern E.on in Gewahrsam genommen

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Die Versuche der Polizei, Proteste zu behindern oder zu unterbinden, haben vor dem Landgericht Essen nun einen weiteren Rückschlag erhalten. Die Umweltaktivistin Cécile Lecomte war mit ihrer Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen erfolgreich und ihr wurde nun nach einer jahrelangen juristischen Auseinandersetzung auch ein Schmerzensgeld in Höhe von 400 Euro zugestanden.

Sie wurde im Mai 2012 von der Polizei rechtswidrig für zwei Stunden in Gewahrsam genommen. Das geschah im Rahmen eines Prostest unter dem angesichts der Jahreshauptversammlung des Atom- und Kohlekonzern E.ON, der in der Gruga Halle stattfand.

Die Polizei war der Meinung, die als "Eichhörnchen" bekannte Kletteraktivistin gewaltsam aus den Reihen der Protestler ziehen und ihr einen Platzverweis erteilen zu dürfen, weil sie in einem Baum ein Protest-Transparent angebracht hatte. "Kommen Sie da runter!", hatten die Beamten die Aktivistin damals aufgefordert. Und so heißt auch das Buch, in dem Lecomte Geschichten darüber erzählt, was passiert, wenn die Kletteraktivistin Konzernen wie E.on oder RWE wegen ihrer gefährlichen und dreckigen Atom-und Kohlepolitik aufs Dach steigt.

Schon im vergangenen Jahr hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen festgestellt, dass der Platzverweis und die Tatsache, dass sie zu deren Durchsetzung auch noch zwei Stunden in Gewahrsam genommen wurde, illegal gewesen waren. Das war der erste Schlag ins Gesicht eifriger Ordnungshüter, für die offensichtlich die staatliche Ordnung durch das Anbringen eines Transparents in Gefahr ist. Sie wollten die Aktivistin auch noch wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt belangen.

Statt einer "groben Störung" der angemeldeten Versammlung, war das Gericht in Gelsenkirchen schon damals der Meinung, dass das Aufhängen von Transparenten eben "versammlungsimmanent" sei. Deshalb klagte die Aktivistin zudem vor dem Landgericht auf Schmerzensgeld, das ihr nun auch zugesprochen wurde.

Wie die Aktivistin in ihrem "Eichhörnchenblog" erklärt, sah sie sich zu dem Schritt gezwungen, weil es sich bei der Essener Polizei um eine "Wiederholungstäterin" handle, denn die "geht immer wieder gegen Umweltaktivist*innen rechtswidrig vor", erklärt sie auch mit Blick auf Proteste gegen den Atom- und Kohlekonzern RWE. "Es kommt mir so vor, als handele die Essener Polizei systematisch im Namen der Energie-Riesen. Grundrechte wie das Grundrecht auf Meinungs-und Versammlungsfreiheit sind ihr dagegen egal." Obwohl auch die Staatsanwaltschaft im Erklettern der RWE keine Straftat sieht, ging die Polizei immer wieder gegen Protest-Kletterer vor, die an der Konzernzentrale Protest-Transparente angebracht haben.

Lecomte ist über das Urteil erfreut, doch sie fände es noch besser, wenn die Polizei die Grundrechte achten und garantieren würde, statt sie zu verletzen. "Geld macht Willkür nicht wieder gut", erklärte Lecomte und weist auch darauf hin, dass die Verantwortlichen bei der Polizei "nicht zur Verantwortung gezogen" würden und letztlich der Steuerzahler für die Kosten aufzukommen habe.