"Wir wollten Waffen zerstören und sie an die Behörden schicken"

Der Ehrenpräsident der französischen Menschrechtsliga entgeht einer Verhaftung knapp, mit der Frankreich und Spanien die ETA-Entwaffnung torpedieren

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Der französische Ehrenpräsident der renommierten Menschenrechtsliga, Michel Tubiana, wurde, anders als zunächst vielfach berichtet, am späten Freitag nicht festgenommen. Diese Fake-News wurde auch von Nachrichtenagenturen verbreitet und fand deshalb ungeprüft große Verbreitung. So absurd und "postfaktisch" wie die gemeldete Festnahme war auch der Inhalt der Meldung, in der zum Beispiel von "fünf ETA-Verdächtigen" gesprochen wurde, von denen "zwei auf der Flucht" ertappt worden seien.

Nichts stimmt an diesen Darstellung und am ehesten kommt noch die Meldung des russischen RT in die Nähe der realen Vorgänge, denn RT verwies sofort darauf, dass es sich "um französische Bürger" gehandelt habe, "unter ihnen sind auch Mitglieder angesehener gesellschaftlicher Organisationen." Zitiert wurde von RT der französische Innenminister Bruno Le Roux. Der hat sich mit der Aussage lächerlich gemacht, bei dem Polizeieinsatz handele es sich um einen "weiteren harten Schlag gegen 'ETA'" gehandelt. Eigentlich fehlte bei der Berichterstattung nur noch, dass es sich um angebliche ETA-Führungsmitglieder gehandelt hat, was zum Standard-Repertoire der Berichterstatter gehört, wie bei der Verhaftung eines Basken an der Universität in Freiburg vor zwei Jahren. Längst ist klar, dass davon nie die Rede sein konnte, vielmehr war ein Folteropfer vor der Gefahr erneuter Folter geflohen.

Tatsächlich entging der Anwalt Tubiana nur knapp der Festnahme, weil er es nicht geschafft hatte, zu der Aktion zu kommen, erklärte er später Medien. Doch der Vorgang zeigt, dass die französischen und spanischen Behörden sehr genau wussten, wer die Aktivisten zivilgesellschaftlicher Organisationen waren und was sie real vorhatten, als sie in der kleinen baskischen Gemeinde Luhuso dabei überrascht wurden, wie sie Waffen der baskischen Untergrundorganisation ETA unschädlich machen wollten. Die ETA hat ihren Kampf vor fünf Jahren eingestellt.

Den französischen und spanischen Sicherheitsbehörden war durch Überwachungen alles bekannt, deshalb wurde auch der Name von Tubiana genannt, der festgenommen werden sollte. Und Tubiana machte klar, dass es Mitgliedern der Zivilgesellschaft darum gehe, dem einseitigen "durch Frankreich und Spanien blockierten Friedensprozess neuen Schub zu geben, eine erste Zerstörung von Waffen durchzuführen und sie den Behörden zuzuschicken", erklärte er in Europe 1.

Frankreichs "Sozialisten" haben in Aktionseinheit mit der spanischen Guardia Civil, die immer wieder wegen Folter - sogar von Journalisten - in die Schlagzeilen gerät, eine einseitige Entwaffnung der ETA verhindert. Es ist bekannt, dass beide Regierungen die Entwaffnung hintertreiben. Sogar renommierte internationale Beobachter, die an einer ersten Entwaffnung teilgenommen haben, wurden vor ein spanisches Sondergericht zitiert. Verhindert werden sollte, dass die ETA unmissverständlich klar machen kann, dass sie sich entwaffnet, woran die Regierungen auf beiden Seiten der Pyrenäen offenbar kein Interesse haben.

"Es muss die Wahrheit über die Vorgänge wieder hergestellt werden", sprach Tubiana von einem klaren politischen Vorgehen und nannte das Vorgehen einen "miesen Schlag gegen den Friedensprozess". Die Festgenommenen sind Jean-Noël Etcheverry, der Chef der Umweltorganisation "Bizi" (Leben), Michel Berhocoirigoin, der Ex-Präsident der Landwirtschaftskammer im französischen Baskenland, der bekannte Weinbauer Michel Bergougnan des Anbaugebiets Irulegi, die Journalistin Béatrice Haran-Molle und der Journalist und Kameramann Stéphane Etchegaray.


Man darf davon ausgehen, dass die Aktion zum Rohrkrepierer wird und die Festgenommenen vermutlich alsbald freikommen werden, da der Druck enorm ist. Davon wird die Öffentlichkeit außerhalb des Baskenlands aber dann wohl nichts mehr aus dem Medien erfahren, die die Rede vom "Postfaktischen" bemühen und sich letztlich darüber echauffieren, dass sie die Definitionshoheit verloren haben und ihre Fake-News wie in diesem Fall immer öfter aufgedeckt werden.

Dass spontan im Baiona (franz. Bayonne) gestern mehr als 4.000 Menschen die Freilassung der Aktivisten forderten und alle Parteien (bis auf den Front National) sich daran beteiligt haben, zeigt schon an, dass man auch hier im französischen Baskenland nicht mehr gewillt ist, die absurde Propaganda einfach zu schlucken.

Französische Sozialisten, Konservative und baskische Linke sowie Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisation haben in einer gemeinsamen Erklärung dargelegt, dass andere die Arbeit der Festgenommenen übernehmen werden und daran auch die Repression nichts ändern wird. Sie bestätigen die "Verpflichtung für den Frieden der Festgenommenen" und fordern von Frankreich und Spanien, "sich in Prozess der Entwaffnung und einer umfassenden Konfliktlösung einzubringen". Dafür sei die Entwaffnung eine "unabdingbare Bedingung", damit das Baskenland eine "demokratische Zukunft ohne Gewalt" erhält.