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Fake News und Info Ops sind keine Entschuldigung dafür, das eigene Denken einzustellen.

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Eigentlich wollte ich so kurz vor Weihnachten noch was lustiges schreiben, oder was besinnliches - auf jeden Fall sollte es das Herz wärmen. Das klappt jetzt nicht.

Weil das Internet - und besonders die so genannten sozialen Netze - grade mal wieder anfängt, zu hyperventilieren, hier also noch ein kleiner, ganz unaufgeregter Beitrag zum Thema „Fake News“. Sie erinnern sich: das, was die Russen ins Netz stellen, damit die Amerikaner Trump wählen, und die Deutschen die Afd - oder so ähnlich. Auf jeden Fall der Nebel, der sich schleichend im Internet ausbreitet, und den vor allem die deutsche Politik im Moment aktiv bekämpfen will.

Wie genau das gehen soll, ist zwar noch nicht wirklich klar. Diskutiert werden aber Ideen, Plattformen wie stärker „in die Verantwortung zu nehmen“ - wie es in verschiedenen Medienberichten so schön heißt. Also eine Art Presserecht auf Speed - mit strafrechtlichen Konsequenzen für alle, die bewusst gefälschte Nachrichten verbreiten.

Das klingt zunächst super, und lässt sich ganz bestimmt in nullter Näherung auch in einen Algorithmus zwingen. Bei näherem Hinsehen wird die Frage, wann eine Lüge eine Lüge ist aber nicht nur für Philosophen und Juristen interessant. Der Netz-Aktivist Kristian Köhntop hat dazu in einem Blog-Eintrag auf ein spannendes soziales Experiment des Twitter Users @nibbler hingewiesen:

NeulandDec 19, Der hatte ein Foto gepostet und dazu den Text: "#Followerpower Can you identify the person on CCTV rolling away the eventphone rack? Without this rack there will be no DECT at #33c3 !! 😭"

Der unscheinbare Tweet zeigt exemplarisch, wie Fake News und die Verbreitung von Gerüchten funktionieren kann: Er zeigt ein Foto und fragt, ob jemand die Person auf dem Bild identifizieren kann, die da gerade das Eventphone Rack durch die Gegend rollt. Dabei wird nicht unterstellt, dass diese Person das Rack vielleicht stehlen wollte. Nur die Wortwahl ist dieselbe, wie bei einer typischen Diebstahlsmeldung. Dann folgt der Satz: "Ohne dieses Rack wird es auf dem 33C3 kein DECT geben" - Übersetzung für Nicht-Insider: der 33C3 ist der 33. Chaos Communication Congress, DECT ist ein Standard für schnurloses Telefonieren. Aber darauf kommt es nicht an. Wichtig ist: Es gibt keinerlei inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Satz. Niemand wird beschuldigt irgendetwas getan zu haben. Das entsteht nur im Kopf der Leser.

Ein anderes Beispiel - weil mir das Bild so gut gefällt, und weil es besser zu Wissenschafts-News passt: US-Wissenschaftler haben vor kurzem die ersten Video-Aufnahmen von eime Ghost Shark- einem Geister-Hai - gedreht. Wenn ich jetzt schreiben würde: „Das geisterhaft bleiche Tier lebt in Tiefen bis zu 2600 Metern. In dieser Tiefe herrscht ewige Finsterniss - die weißen Augen haben keine Pupille“, lege ich nahe, dass das Tier keinen Sehsinn hat. Das weiß aber kein Mensch.

So funktioniert Fake News. Die Wahrheit fällt sozusagen durch die Lücken im Text. Meistens wird sie mit Absicht da reingeschubst. Das Problem ist aber: kein Algorithmus dieser Welt wird Lügen, die erst im Kopf der Leser entstehen, erkennen. Das geht nicht. Tatsachenbehauptungen zu verbieten, geht auch nicht. Alles was bleibt, ist Medienkompetenz. Den Kopf nicht auszuschalten, auch wenn die ganze Welt einem erzählen will, dass man den Lügen, Verschwörungstheorien und Spinnereien des Internets nichts entgegen zu setzten hat. Denn das ist tatsächlich ein Lüge.

(wst)