Die Epoche der Katzentechnologie

Warum baut niemand Maschinen, die wie Katzen sind? – Aber eigentlich gibt es das ja schon längst.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Als Apple vor genau zehn Jahren das iPhone mit seinem kapazitiven Touchscreen vorstellte, begann eine neue Ära der Annäherung zwischen Mensch und Maschine. Einen Computer zu bedienen, indem man sanft über seine Oberfläche streichelte, war etwas Neues, Unerhörtes. Mit den Smartphones hat die Epoche der Katzentechnologie begonnen. Eine der Fingerspitzengefühlsmaschinen.

Profanes Tastaturgeklacker und Mauspfeilgestocher haben nichts mehr mit der sinnlichen Eleganz zu tun, mit der wir nun mit unseren Gadgets umgehen – auch wollüstige Wischbewegungen wie auf der Kontaktplattform Tinder will ich da jetzt nicht ausnehmen. Wisch you were here! Wer kann etwas dagegen haben, dass in einer von Rohheit heimgesuchten Zeit kleine Geräte einem modernen Zartgefühl zu mehr Öffentlichkeit verhelfen?

Um die Funktionsweise des Radios zu beschreiben, erklärte Albert Einstein einst: "Sehen Sie, drahtgebundene Telegraphie ist etwas wie eine sehr, sehr lange Katze. Sie ziehen in New York am Schweif und hören es in Los Angeles miauen. Verstehen Sie? Und das Radio funktioniert genauso: Sie senden ihre Signale von hier aus, und dort empfangen sie sie. Der einzige Unterschied ist, dass da keine Katze ist."

Mit einem Smartphone online zu sein, könnte man nun hinzufügen, bedeutet nicht einfach nur, dass da keine Katze ist, sondern dass niemand genau weiß, wo nun eine Katze ist und wo keine, weshalb viele Menschen inzwischen Katzenbilder hinterlassen wie Markierungen auf Wanderwegen, und dass es darüber hinaus virtuelle Katzen gibt und es trotzdem miaut. Aber ich schweife ab.

Auf den Multitouch-Displays von Smartphones entwickelt sich mit immer komplexeren Bediengesten eine neue Zeichensprache, womöglich die erste wirkliche Weltsprache. Das bisher führende Eingabeelement an Computer- und Kommunikationsgerätschaft, nämlich der Knopf, nimmt mit dem Smartphone seinen Abschied. Sieht man von den zwei Lautstärkeknöpfchen am Rand ab, klammert sich gerade noch ein einziger, verbleibender Knopf an das iPhone. Und auch er wird zunehmend in Frage gestellt.

An der Art, wie Schaltknöpfe gestaltet wurden, kann man eine kleine Technikgeschichte erzählen. In den 50er-Jahren bauten Männer wie Daniel Düsentrieb Elektronengehirne, deren Konsolen mit Federhebelkippschaltern bestückt waren, wie man sie von Kraftwerkskontrollpaneelen kannte. Es war die Zeit wuchtiger Telefon- und Radiogeräte. Die raucherzähnefarbenen Schaltknöpfe dieser Radios waren groß wie Nougatwürfel, und wer einen solchen Knopf drücken wollte, hatte sich mit Kraft einer Mechanik entgegenzustemmen.

Mit den Jahren hatten auch Telefone Knöpfe bekommen. Den butterglatt skalierbaren Drehknöpfen von Hifi-Anlagen stellte sich in den 70er-Jahren erstmals so etwas wie ein Zartgefühl den Maschinen gegenüber ein. Es gab Drehknöpfe aus Metall, die einem beim Drehen ein flüssiges Gefühl ihres Gewichts gaben. Die Knöpfe wurden immer flacher und weich wie Fleisch, dann tauchten sie ab in Folientastaturen und die ersten Touchscreens.

Heute bedienen wir scheinbare Knöpfe unter der gläsernen Haut der Bildschirme, die sich zutraulich in unsere Jackentaschen verkrochen haben – Klickbuttons und Schaltflächen sind nur noch sentimentale Erinnerungen an den richtigen, echten Knopf, wie Gott ihn einst schuf. Nun legen wir die Smartphones kaum noch aus der Hand. Sie sind die Fernbedienung für unser Leben geworden. Streicheln, und es geschieht. (bsc)