Akustisch erschüttert

Gehirnerschütterungen sind gerade bei jungen Sportlern ein gravierendes Problem, das sich jedoch schwierig diagnostizieren lässt. US-Forscher versuchen es jetzt mit der Messung der Reaktion auf Sprachlaute.

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Von
  • Emily Mullin
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Um Gehirnerschütterungen präziser zu diagnostizieren und die Erholung von Betroffenen nachzuvollziehen, könnte künftig ein neuer Test dienen, mit dem die Reaktion des Hirns auf Sprache erfasst wird. Das ist das Ergebnis einer kleinen Studie in den USA.

Entwickelt wurde der Test, der die neuronale Aktivität bei akustischen Reizen misst, von Forschern an der Northwestern University. Eine häufige Nebenwirkung von Gehirnerschütterungen besteht darin, dass die Patienten Audiosignale nicht richtig einordnen können. Wissenschaftler glauben, eine Erschütterung könnte das Aufnehmen und Verarbeiten von Sprache im Gehirn stören.

Unter der Führung von Nina Kraus, Professorin und Leiterin des Auditory Neuroscience Laboratory, entwickelte die Gruppe deshalb einen Test zur Messung der im Hirn erzeugten elektrischen Signale. Die Forscher platzierten drei Elektroden auf der Kopfhaut von Kindern, denen einige Minuten lang unterschiedliche Sprachlaute vorgespielt wurden, um ihre Fähigkeit abzuschätzen, Sprache zu verstehen und zwischen bestimmten Lauten zu unterscheiden.

Wie sich dabei zeigte, waren die neuronalen Reaktionen bei Kindern, die in den 5 bis 56 Tagen zuvor eine Gehirnerschütterung erlitten hatten, anders als bei nicht betroffenen: Kinder mit Gehirnerschütterung reagierten weniger deutlich auf die Tonhöhe der aufgezeichneten Laute als die Kontrollgruppe. Mit dem Test konnten 18 der 20 Studienteilnehmer mit Gehirnerschütterung korrekt identifiziert werden, ebenso wie 19 der 20 gesunden Probanden. Im Zuge der Erholung von ihren Kopfverletzungen verbesserte sich dann die Fähigkeit der jungen Patienten, Tonhöhen zu verarbeiten, berichten die Forscher.

Eine Schwäche der Studie ist, dass sie die Grundfähigkeit zur Verarbeitung von akustischen Signalen bei den Teilnehmern nicht berücksichtigte, sagt Marc Nuwer, Neurophysiologe und Neurologieprofessor an der School of Medicine der University of California in Los Angeles. Dies hätte dazu beigetragen, zu erkennen, ob die Muster der Signalverarbeitung bei den Probanden tatsächlich anders als normal waren. Laut Nuwer können auch andere Probleme als Erschütterungen die Fähigkeit des Hirns zur Lautverarbeitung beeinträchtigen, etwa Medikamente oder Müdigkeit.

Die ersten Ergebnisse sind interessant, doch in einer Artpraxis oder vor Ort könnte sich ein solcher Test als nicht praktikabel erweisen. Unter anderem muss dafür ein Elektroenzephalogramm (EEG) erstellt werden, was teure Technik und aufwendige Analysen erfordert. Wie Kraus erklärt, will ihr Team jetzt weitere Studienteilnehmer rekrutieren, um den Test an mehr Personen auszuprobieren.

Traumatische Hirnverletzungen, wie etwa Gehirnerschütterungen, führen laut den U.S. Centers for Disease Control zu zwei Millionen Besuchen in US-Notaufnahmen pro Jahr und spielen eine Rolle bei mehr als 50.000 Todesfällen. Ein erheblicher Anteil der Verletzungen gilt als geringfügig. Derzeit werden sie ausschließlich anhand der Symptome diagnostiziert. Mit Computertomografien lassen sich schwerere Verletzungen ausschließen, sie eignen sich jedoch nicht für die Diagnose von Erschütterungen.

Zunehmende Sorgen um lang anhaltende Hirnschäden bei jungen und professionellen Sportlern haben die öffentliche Aufmerksamkeit für das Problem der Gehirnerschütterungen zunehmen lassen und Interesse daran geweckt, bessere Diagnosemethoden dafür zu entwickeln. Denn besonders bei Kindern sind die Möglichkeiten dafür bislang begrenzt.

(sma)