Zahlreiche Menschen sind übers Wochenende erfroren

Der Umgang mit den Folgen der Kältewelle wirft Fragen nach dem Zustand der europäischen Gesellschaften auf

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Mindestens 25 Menschen sind bisher durch den Kälteeinbruch im Mitteleuropa erfroren, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Mit 17 Personen starben übers Wochenende die meisten in Polen, wo seit November bereits 65 Menschen der Kälte zum Opfer gefallen sind.

Kalt ist es vor allem in Osteuropa aber auch auf dem Balkan, in der westlichen Türkei und in Griechenland, wo Flüchtlinge trotz Schnees zum Teil in Zelten ausharren müssen. Im Camp Mooria auf der Insel Lesbos brachen einige der Zelte unter der Schneelast zusammen, und natürlich fehlt es den meisten an jeder Möglichkeit zum Beheizen.

Für Deutschland sind die Temperaturen derzeit annähernd der Jahreszeit entsprechend. Bayern muss für Mittwoch mit extremen Minusgraden rechnen. In Polen ist es deutlich kälter, allerdings ist dort ein derartiger Kälteeinbruch nicht gerade ungewöhnlich. Einzig für Griechenland (und den Westen der Türkei) kann man von einer wirklich ungewöhnlichen Kälte sprechen. Die Temperaturen liegen dort zum Teil zehn Grad und im Landesinneren auch deutlich mehr unter dem für diese Jahreszeit Üblichen - in diesem Fall der Mittelwert der Jahre 1979 bis 2000 für den jeweiligen Ort und Zeitpunkt.

Auf einigen griechischen Inseln wurde der Notstand ausgerufen, berichtet die in Australien für die dortige griechische Einwanderergemeinde erscheinende Zeitung Neo Kosmos. In der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki seien die Temperaturen auf minus acht Grad Celsius gefallen, wodurch die Wasserversorgung vieler Haushalte unterbrochen wurde. Die UN-Flüchtlingsagentur habe die EU aufgefordert, mehr für die Flüchtlinge auf den Inseln zu unternehmen. Sie müssten aufs Festland gebracht werden, wo ihre Versorgung einfacher sei.

Und wieso erscheint eine solche Meldung in der Rubrik Energie und Klima? Weil die Auswirkungen von extremer Kälte und Hitze sehr ähnlich sind. Menschen sterben vordergründig an den Wetterbedingungen, aber im Grunde sind es die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie umbringen.

In Ländern wie Polen, Deutschland oder auch Weißrussland müsste niemand auf der Straße leben. Die Gesellschaften sind allemal reich genug, um sich um jeden zu kümmern. Auch die auf den griechischen Inseln festsitzenden Flüchtlinge könnten ohne weiteres würdig versorgt werden. Dafür würde schon ein Bruchteil des Geldes reichen, das derzeit für den NATO-Aufmarsch an der russischen Grenze ausgegeben wird.

Das Beispiel zeigt: Die mit dem Klimawandel einhergehenden extremen Wetterlagen treffen – wie die derzeitige Kältewelle, die vermutlich eher im Rahmen der natürlichen Fluktuationen liegt – zuerst und am stärksten die Schwächsten in der Gesellschaft. Ob diesen aber geholfen wird, ob rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden oder man sie ihrem Schicksal überlässt, ist vor allem eine politische Frage: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der der Mensch vor allem dem anderen ein Wolf ist, oder in einer Gesellschaft, die keinen zurück lässt und für jeden sorgt?