Autonomes Fahren: Ein Fahrer, viele Laster

Automatisiertes Kolonnenfahren hinter einem Leitlaster verspricht schnelle wirtschaftliche Einsparungen. Doch die dafür notwendige Car-to-Car-Kommunikation hinkt hinterher.

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Von
  • Hanns-J. Neubert

Mit nur zehn Metern Abstand zwischen den Fahrzeugen brausten sechs Lastwagenkonvois Anfang April über europäische Autobahnen – ein Albtraum für jeden überholenden Autofahrer. Doch in vier Jahren könnte genau das zur Regel im Straßen-Güterverkehr werden.

Die Konvois aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden und Schweden folgten einem Aufruf der damaligen niederländischen EU-Präsidentschaft. Eine Sternfahrt zum Hafen von Rotterdam sollte ein Zeichen setzen für mehr Straßentransporte. Die sechs teilnehmenden Lastwagenhersteller wollten beweisen, dass Lkw-Transporte mit der sogenannten Platooning-Technik sicherer, effizienter und spritsparender sind.

Beim Platooning sind mehrere Lastwagen per WLAN miteinander und an ein Führungsfahrzeug gekoppelt, das von einem Fahrer gelenkt wird. Letzteres funkt automatisch Geschwindigkeit, Bremsmanöver und Richtung an die Nachfolger. Da computergesteuerte Lkw hinter einem Leitfahrzeug sehr viel schneller reagieren als Menschen, lässt sich das Unfallrisiko senken. Ein Bremssignal gelangt in 0,1 Sekunden an das nachfolgende Fahrzeug, während ein menschlicher Fahrer erst nach ungefähr 1,4 Sekunden das Bremspedal tritt, also ungebremst noch an die 30 Meter zurücklegt.

Weil die Fahrzeuge auf diese Weise sehr dicht hintereinander fahren, bleiben sie im Windschatten des vorausfahrenden Fahrzeugs. Das bringt eine Spritersparnis von zehn Prozent mit entsprechend weniger Kohlendioxidausstoß.

Neben WLAN im 5,9-Gigahertz-Bereich verfügen die Laster über GPS-Navigation, Radar und automatische Assistenzsysteme, wie man sie zunehmend auch in Personenwagen findet. Dazu gehören beispielsweise Notbrems- und Abstandshaltungssysteme. Derzeit überwacht in den anderen Lkw noch jeweils eine Person die Elektronik und greift bei Versagen ein. Sollten die Wagen eines Tages ganz ohne Fahrer auskommen, so steuern die Konvois, wie heute schon allgemein üblich, Logistikzentren vor den Städten an. Dort übernehmen Fahrer sie wieder und bringen sie in die Stadt.

Das Platooning ist zwar weitgehend ausgereift und hat sich in den vergangenen fünf Jahren bei zahlreichen Versuchsfahrten auch auf öffentlichen Straßen bewährt. Doch bis die Road Trains auf der rechten Spur der Autobahnen noch enger aufschließen dürfen, muss noch einiges passieren. Zum einen benutzt jeder Lastwagenbauer nach wie vor seine eigene Kommunikationstechnik. Für eine echte Car-to-Car-Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Lkw-Marken müssen sie sich europaweit noch auf gemeinsame Schnittstellen einigen. Denn ihre Kunden, die Transportunternehmen, legen sich selten auf eine einzige Fahrzeugmarke fest.

Zum anderen müsste als zusätzliche Sicherheit ein Datenaustausch über den Konvoi hinaus möglich sein, Fachleute sprechen von Car-to-X-Kommunikation. Ein Konvoi kann zwar etwa auf ein- oder abfahrende Pkw auf der Autobahn reagieren, indem einer der Lkw automatisch abbremst oder auf die linke Spur wechselt. Aber andere plötzlich auftretende Ereignisse wie Staus, Unfälle oder Blitzeis überfordern derzeit noch die Technologie. Für einen derart umfassenden Datenaustausch ist die Infrastruktur noch nicht in Sicht.

Dazu müssten genügend andere Verkehrsteilnehmer mit der entsprechenden Technik ausgerüstet sein. Außerdem sind sogenannte Road Side Units nötig: an oder in den Straßen installierte Radarsensoren oder Messschleifen.

Dennoch ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Platooning durchsetzen wird. Denn die Politik lässt derzeit wenig Anstrengungen erkennen, Güter auf die Schiene zu verlagern. Nicht ohne Grund setzte das Land der einstigen Fuhrleute Europas die Konvoi-Sternfahrt derart öffentlichkeitswirksam in Szene. (bsc)