Die Sicherheitshose: Angst kommt in Mode

Außer Kontrolle

Ängstlichen Joggerinnen soll eine neuartige Hose helfen, vor Vergewaltigungen und sexueller Belästigung gefeit zu sein.

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Seit den Ereignissen in der Silvesternacht 2015 wächst, so den Berichten geglaubt werden kann, die Angst davor, als Frau sexuell belästigt oder vergewaltigt zu werden. Während seit einiger Zeit noch davon ausgegangen wurde, dass der Hauptanteil der sexuellen Straftaten eher im Bekannten- und Verwandtenkreis stattfindet, so feiert die Angst vor dem, was draußen lauert, ein Comeback. Es ist daher wenig verwunderlich, dass mit den diversen „Sicherheitsangeboten“ auch Profit gemacht wird, gleichgültig ob es um Pfefferspray, Messer, Schusswaffen oder Selbstverteidigungskurse geht.

Eine neue Idee für ängstliche Joggerinnen wird momentan als Sicherheitssau durchs Angstdorf gegrieben: die „Safe Shorts“, eine Hose die mittels diverser Techniken für mehr Sicherheit für die Trägerin sorgen soll. Die Medien, die die Hose thematisieren, agieren dabei eher eindimensional. So wird geschrieben, mit dieser Hose habe endlich kein Vergewaltiger mehr eine Chance, man sei durch sie sicher, die Hose schütze vor Vergewaltigungen ... Was sich bei den Artikeln kaum findet, ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern die Hose sinnvoll ist und welche Vor- und Nachteile sie bietet – die Texte wirken deshalb eher wie schlecht vertuschte Werbung.

Die Hose bietet drei Sicherheitsmerkmale, wie es heißt. So ist das Material reiß- und bis zu einem gewissen Grade auch stich- bzw. schneidfest. Dabei ist anzumerken, dass eine Vielzahl der momentan verfügbaren Laufkleidung bereits per se reißfest ist, nicht zuletzt weil während des Joggens ja gerade die Hose permanent gedehnt werden. Ein allzu leicht reißendes Material wäre da kontraproduktiv.

Bei der Stich- uns Schneidfestigkeit dürfte die Angst vor einem Messerangriff eine große Rolle spielen, doch stellt sich die Frage: sofern ein Fremder eine joggende Person mit einem Messer angreift, inwiefern bietet hier stichfeste Kleidung Sicherheit? Sofern die Person mit einem Messer konkret bedroht wird, dürfte sie im Zweifelsfall auch selbst die Kleidung ablegen um das Leben zu schützen, ein Angriff „en passant“, der sich nur gegen den Unterkörper richtet, ist nach Auskunft von Kriminalisten sehr selten.

Das zweite Sicherheitsmerkmal sind „ergonomisch verlaufende Sicherheitsschnüre“, die mit entsprechenden Schnüren in der Taille gesichert werden, hinzu kommt ein Schloss (!) sowie ein 130 Dezibel lauter Sicherheitsalarm, der von der Trägerin selbst ausgelöst werden kann bzw. von selbst ausgelöst wird, wenn versucht wird, die Hose herunterzuziehen. Ob die Sicherheitsschnüre, die im Schritt verlaufen und dann noch die Taille umfangen, im Praxisgebrauch tauglich sind, ist bisher nicht bekannt, bei schlechter Verarbeitung könnten sich hier eher unangenehme Hautreizungen/-abschürfungen ergeben.

Das Schloss mit Zahlencode wirkt eher antiquiert und weckt Erinnerungen an den Keuschheitsgürtel - dabei stellt sich auch die Frage, inwiefern beim erwähnten Messerangriff nicht einfach die Trägerin selbst das Schloss öffnen wird. Zwar bietet der Alarm eine gewisse Möglichkeit, dass durch den Alarm der Angreifer verschreckt wird und/oder Hilfe kommt, dies ließe sich jedoch auch durch einen einfachen Alarm abseits eines Einbindens in eine Hose bewerkstelligen.

Beworben wird die Hose mit der Angst seit der Silvesternacht, doch ging es da um Angriffe innerhalb einer großen Menschenmenge, es war ohnehin laut und trotz möglicher Menschen, die hätten helfen können, passierte nichts. Ob und wie in solchen Situationen eine „Safe Shorts“ helfen soll oder kann bleibt offen.

Bedauerlich ist, dass hier vor allen Dingen versucht wird, der Angst der Menschen nicht mit rationalen Argumenten zu begegnen, sondern vor allen Dingen auch, dadurch Profit zu generieren und das Leben der Menschen durch eines zu ersetzen, in dem bisherige Lebensweisen eingeschränkt und von der Angst beherrscht werden. Spinnt man dies weiter, so ergeben sich weitere Möglichkeiten für Sicherheit vor Busengrabschern bis hin zu der Sicherheit vor jenen, die Frauen ungewollt küssen. Damit ist, salopp ausgedrückt, ironischerweise der Weg dahingehend geebnet, dass sich Frauen aus Angs vermummen, quasi eine Sicherheitsburka 2.0.