Wollen wir mit Masern leben?

Ein Schutz vor möglichen Gefahren gilt für viele als erstrebenswert. Geht es aber um das Impfen gegen Infektionskrankheiten wie Masern, werden ganz unterschiedliche Argumente angeführt.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Vieles in unserer Gesellschaft funktioniert nach dem Solidaritätsprinzip. Frei nach dem Motto der Musketiere: "Einer für alle, alle für einen." Bei Impfungen gegen hochansteckende Infektionskrankheiten wie etwa Masern verhält sich unsere moderne Individualgesellschaft allerdings ein wenig anders. Da stößt man auf viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene ohne ausreichenden Schutz. Das mag auch lange Zeit gut gehen. Denn ein hoher Prozentsatz der Deutschen wurde seit der Entwicklung des Impfstoffs in den Siebzigerjahren immunisiert. Heute sind die Masern hierzulande daher relativ selten geworden. Davon profitieren alle, die über keinen Schutz verfügen.

Doch im Gegensatz zum amerikanischen Kontinent, sind die Masern in Europa noch längst nicht ausgerottet. Deshalb haben Menschen ohne ausreichende Immunisierung das Nachsehen, wenn es zu unvorhersehbaren Ausbrüchen der hochansteckenden Infektionskrankheit kommt. Erst 2015 entwickelte sich in Deutschland eine regelrechte Infektionswelle mit fast 2500 Fällen, wie die Pharmazeutische Zeitung auf ihrer Webseite berichtet. Im vorigen Jahr dagegen erkrankten glücklicherweise nur etwas mehr als 300 Menschen an Masern. Dafür starb im November ein sechsjähriges Mädchen aus Hessen an den Spätfolgen einer Infektion. Sie litt an der chronischen Masern-Ge­hirnentzün­dung SSPE (Subakute sklerosierende Panenzephalitis), die fast immer tödlich verläuft und bei der die Viren im Gehirn Ner­ven­­zellen zerstören.

In machen Gegenden führte die Masernwelle von 2015 dazu, dass sich Menschen seitdem vermehrt impfen ließen. Aber gerade die Ballungsräume betrachtet das Robert-Koch-Institut laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bis heute als Problemzonen. In Dresden, Hamburg, Köln, Leipzig und München hatten im Alter von 24 Monaten jeweils zwischen 2000 und 4100 Kinder keinen ausreichenden Impfschutz, in Berlin sogar 7300. Das macht die Städte zu Risikohochburgen.

In diesen Tagen kämpft Leipzig zum Beispiel gegen einen erneuten Masernausbruch. Er begann am 24. Januar 2017 mit einer Erkrankung, wie die Leipziger Volkszeitung (LVZ) berichtet. Mitte Februar sind es nun schon 30 Fälle – darunter auch mehrere Kleinkinder, die wegen der Gefahr von Komplikationen im Krankenhaus behandelt werden. Der aktuelle Virus wurde laut LVZ wahrscheinlich aus Rumänien eingeschleppt; darauf deuteten Laborbefunde hin. In dem südosteuropäischen Land habe es seit September mehr als 2100 gemeldete Masern-Fälle gegeben. 13 Menschen seien an dem hochansteckenden Erreger gestorben.

Diese Nachrichten sind ein weiteres Zeichen dafür, dass man hierzulande die Bemühungen der WHO, die Krankheit weltweit zu eliminieren, ernst nehmen sollte. Ursprünglich wollte man dieses Ziel bereits 2015 erreichen, jetzt visiert die Gesundheitsorganisation das Jahr 2020 an. Dann soll Europa frei von Masern sein. Man mag das kritisch sehen. Unbestritten ist jedoch, dass aufgrund der Globalisierung und der Reisefreudigkeit vieler Deutscher ständig das Risiko für neue Ansteckungen besteht. Impfungen sind ein wirksamer Schutz dagegen – bei keinem besonders großen Risiko. Daher sollte sich jeder fragen, wie viel Risiko er für sich und seine Lieben in Kauf nehmen möchte. (inwu)