Lernen wir nichts dazu? Erkenntnisse über Organisationen gestern und heute

Selbstbestimmte Teams sind produktiver, diese Erkenntnis ist alles – nur nicht neu.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jutta Eckstein

Selbstbestimmte Teams sind produktiver, diese Erkenntnis ist alles – nur nicht neu.

Immer wieder beschäftige ich mich mit Ansätzen und Organisationsformen, um besser verstehen zu können, was uns eigentlich oft daran hindert, eine Veränderung (wie Agilität) erfolgreich und nachhaltig umzusetzen. Dabei bin über den sogenannten soziotechnischen Ansatz gestolpert, der bereits in den 50er-Jahren entwickelt wurde. Dieser gründet sich auf der Erkenntnis, dass soziotechnische Systeme vor allem deswegen langfristiger und nachhaltiger ausgerichtet sind, da sie die Organisation ganzheitlich betrachten, das heißt sowohl den menschlichen/sozialen Aspekt als auch den technischen/wirtschaftlichen.

Mittels unterschiedlicher Forschungen und empirischen Untersuchungen konnte man nachweisen, dass teilautonome, selbstbestimmte Arbeitsgruppen produktiver sind, wenn ihnen die Verantwortung für größere, zusammenhängende Aufgaben übertragen werden und sie diese dann selbstorganisierend bearbeiten können. Im Vergleich dazu schnitten die Gruppen schlechter ab, bei denen die Aufgaben erst in kleinere Funktionen untergliedert und diese dann an einzelne Mitarbeiter übergeben wurden, die dann auch lediglich für diesen Funktionsteil zuständig waren (Stichwort: Taylorismus). Weiterhin wurde erkannt, dass bei den teilautonomen und selbstbestimmt arbeitenden Gruppen eher Generalisten benötigt werden, die sich gegenseitig vertreten können.

Diese gegenseitige Vertretung trug dazu bei, dass alle voneinander lernen konnten, wodurch sich auch nachweislich die intrinsische Motivation erhöhte. Außerdem wurden diese Gruppen dadurch in die Lage versetzt, ständig (kleine) Verbesserungen bezüglich der Umsetzung der Aufgaben vorzunehmen. Der organisatorische Nutzen davon war (neben der eben angesprochenen höheren Motivation und größeren Zufriedenheit der Mitarbeiter) vor allem auch eine größere Flexibilität, Qualität, Innovationsfähigkeit und eben auch Produktivität.

Dies wurde, wie gesagt, vor circa 70 Jahren erkannt. Zu dieser Zeit steckte die IT noch in den Kinderschuhen, vor allem aber die Softwareentwicklung in Teams. Und obwohl "wir" damals eine neue Disziplin begründeten und keine echten Altlasten hatten, waren wir dennoch der Ansicht, dass es sinnvoller wäre, tayloristisch vorzugehen. Das heißt, die Arbeit sollte funktional untergliedert und an einzelne Mitarbeiter übergeben werden, wie das unter anderem bei einem linearen Vorgehen zum Beispiel nach Wasserfall üblich ist. Das heißt, unser Verständnis, wie Arbeit zu bewältigen ist, basiert(e) auf Überlegungen aus dem Ende des vorletzten/Beginn des letzten Jahrhunderts.

Heutzutage, unter anderem mit dem Siegeszug der Agilität, fällt uns "plötzlich" ein, dass die Übergabe von größeren zusammenhängenden Aufgaben an selbstorganisierende Teams viel erfolgreicher sei. Ich frage mich, wieso haben wir 50 Jahre benötigt – das Agile Manifest ist ja mittlerweile auch schon 16 Jahre alt – bis wir das erkannt haben? ()