Irgendwie so

Die Washington Post will dem Rest der Welt Technik-Jargon auf eine neue Art und Weise erklären. Ist das wirklich eine gute Idee?

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Was ist eigentlich dieses "Maschinenlernen"? "Maschinenlernen ist mehr Miles Davis als Mozart", schreibt Nick Asbury im Sideways Dictionary. "Lernen, ein Stück von Mozart zu spielen, ist theoretisch eine rein mechanische Aufgabe: Man muss nur die richtigen Noten in der richtigen Reihenfolge spielen. Improvisation im Jazz zu lernen, bedeutet, dass man die der Musik zugrunde liegenden Muster verstehen muss – die Akkorde, den Rhythmus, das Tempo und so weiter. Wenn man diese Muster verstanden hat, kann man mit ihnen spielen und etwas völlig neues hervorbringen, das noch nie jemand gehört hat."

Eine hübsche Umschreibung von vielen – wenn man einen bestimmten Begriff aufruft, bekommt man nach und nach eine Liste solcher Metaphern angezeigt. "Irgendwie so"-Beschreibungen, die hübsch sind, unterhaltsam und in gewisser Weise erklären, ohne zu erklären, und die – ähnlich wie bei der Wikipedia – von registrierten Usern gerne ergänzt werden dürfen.

"Lügen für Kinder", nennt der – leider zu früh verstorbene – Autor Terry Pratchett diese Technik in einem Interview mit der Zeit: Man erfindet eine Geschichte, die plausibel genug ist, um die Dinge zu erklären, hält sich aber nicht mit lästigen Details auf. Hauptsache, die Geschichte ist gut – und vor allem stimmig, und wirft keine neuen Fragen auf. (Wenn ich mich richtig erinnere, hat der Physiker Richard Feynman den Begriff auch verwendet. Ich finde aber leider grade die Referenz nicht wieder.)

Solche "Lügen für Kinder" sind gleichzeitig gut und auch schlecht. Sie sind gut, weil sie Menschen, die keine Zeit, keine Lust, oder vielleicht auch nicht genügend Selbstvertrauen haben, sich mit technischen Details zu beschäftigen, wenigstens eine Idee davon geben, um was es gehen könnte.

Im besten Fall könnte dieses Wörterbuch sogar dazu führen, dass manche Menschen den Respekt vor dem bisweilen furchteinflößenden Techno-Jargon verlieren, den manche Experten auch gerne mal zur Abschreckung benutzen.

Sie sind aber auch gefährlich, weil sie so etwas wie "gefühltes Wissen" vermitteln. Und gefühltes Wissen ist verdammt nah dran an "gefühlten Wahrheiten", alternativen Weltsichten und anderen Merkwürdigkeiten, die politische und wirtschaftliche Wunderdoktoren im Moment verkaufen, wie geschnitten Brot.

Dass dieses Geschäft mit Obskurantismus, Lügen und Halbwahrheiten so gut läuft, liegt unter anderem daran, dass der Erwerb von Wissen, Skepsis, Kritik, Logik und ein respektloser und kreativer Umgang mit Technologie zwar auch eine Menge Spaß machen kann – aber zunächst auch mal Arbeit voraussetzt. Und weil allein schon der Gedanke, Wissen könnte Mühe machen, potentielle Besucher vielleicht abschreckt, ist es nur konsequent, dass das Sideways Dictionary ein Projekt der Washington Post (seit 2013 im Besitz von Amazon-Gründer Jeff Bezos) und Jigsaw ist – dem Zweig des Google-Imperiums, der Gesellschaft mit Technologie verändern will. Aber vielleicht ist das ja auch nur eine "Lüge für Kinder".

(wst)