Starke Worte

Die Gegner des Netzdurchsetzungsgesetzes sollten den Ball flacher halten. Zensur ist etwas anderes.

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Die Gegner des Netzdurchsetzungsgesetzes, mit dem Justizminister Heiko Maas Fake-News und Hatespeech in sozialen Medien bekämpfen will, mögen gute Gründe für ihre Position haben. Jetzt aber eine "Deklaration für die Meinungsfreiheit" zu veröffentlichen, ist vielleicht doch ein kleines bisschen zu hoch gegriffen.

"Deklaration" klingt natürlich unglaublich bedeutungsschwer und wichtig. So wichtig, dass ich auf Wikipedia erst mal nachschlagen musste. "Inhalts- oder Wertangabe eines Handels- oder Versandguts", steht da zum Beispiel als eine von vielen Wortbedeutungen, aber auch eine "politische Willens- oder Absichtserklärung", wie zum Beispiel bei der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder bei einer "Kriegserklärung". Das ist schon was.

Mächtig stark auch die Wortwahl des Chaos Computer Clubs, der zu den Unterzeichnern der "Deklaration" gehört. "Das Gesetz erzwingt ein privatisiertes Zensur-Regime, das legitime Meinungen, Bilder oder Filme unterdrücken und unsichtbar machen wird", sagt Frank Rieger. "Dem stellen wir uns vehement entgegen." Donnerlüttchen. Ich bin beeindruckt. Ein "privatisiertes Zensur-Regime". Das klingt jetzt echt mal fies.

Schade nur, dass es bei dem umstrittenen Gesetz im wesentlichen um die Androhung von Bußgeldern geht. Der Betreiber eines sozialen Netzwerks muss – wenn das Gesetz beschlossen wird – rechtswidrige Inhalte innerhalb einer definierten Frist löschen. Sonst kann er mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Ein Ordnungsgeld. Das ist wie ein Ticket für Falschparker – nur teuerer.

Ordnungsgelder, auch wenn sie noch so hoch sind, als Instrumente der Zensur zu bezeichnen, ist schlicht und einfach Unfug. Zensur bedeutet, Rundfunkanstalten aus fadenscheinigen Gründen die Lizenz zu entziehen, Sender zu besetzen und zu schließen, oder Journalistinnen und Journalisten, die kritisch berichten, aus Gründen der "inneren Sicherheit" zu verhaften und dann ihre Prozesse monate- oder jahrelang zu verschleppen.

Jetzt und hier von Zensur zu sprechen, verwässert die Begriffe. Das erinnert mich an die 80er Jahre, als es in antifaschistischen Kreisen üblich war, jeden Polizeieinsatz gleich als "voll faschistoid" zu bezeichnen als ob die Machtergreifung unmittelbar bevorstünde.

Es gibt bedenkliche Punkte in diesem Gesetzentwurf, unter anderem die Weitergabe von Daten an potenziell Geschädigte. Man kann nicht ausschließen, dass sich an dieser Stelle eine neue Form von Abmahnindustrie bildet. Aber darum geht es in der Debatte – leider – meist nicht. Es geht nicht um den sachlichen Austausch, sondern um stumpfe Polemik.

Je länger sich die Diskussion hinzieht, desto mehr habe ich den Eindruck, Maas hätte seine Gegner nicht im demokratischen Empfinden getroffen, da, wo das Herz leidenschaftlich für die Meinungsfreiheit schlägt, sondern da, wo es wirklich weh tut: an der Geldbörse.

Ein bisschen mehr Sachlichkeit täte der Debatte gut.

(wst)