Das Modul

Jeder Computerbesitzer kennt das Wunder der Selbstheilung, durch das sich Computerpannen manchmal beheben lassen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

"Backup" heißt das eiskalte Gefühl, das einem den Rücken hochkriecht, wenn einem bei den Anzeichen eines ernsten Computerproblems wieder mal einfällt, dass man keine Sicherheitskopie gemacht hat. Mein aktuelles Problem bestand darin, dass mein Rechner, statt wie gewohnt zu starten, am Bildschirm mit einem Mal ein Streifenmuster zeigte, das an eine Kinderzimmertapete erinnerte, und darüber eine von rötlichem Pixelstaub durchwirkte Bordüre, um anschließend hängenzubleiben.

Nun gibt es an der Maschine segensreicher Weise einen Wiedergesundungsmodus, englisch recovery, in den man sich begibt, indem man einen Neustart vornimmt und dabei die Taste R gedrückt hält. Wie es der Zufall will, funktioniert auf meiner Tastatur ausgerechnet diese Taste nicht mehr (außerdem gelegentlich das E, aber ich schweife ab). In der guten, alten Zeit jedenfalls ging ich in einem solchen Fall zu meinem Computerhändler, der aus einem Schuhkarton voller einzelner Tasten die passende herauswühlte und sie gegen die defekte austauschte. Heute sind, bedingt durch die stimmungsvolle integrierte Tastaturbeleuchtung, alle Tasten miteinander verbunden zu dem, was man ein Modul nennt – eine Bauweise, die es erlaubt, auch kleine Probleme mit großen Kosten auszustatten. Wenn eine einzige Taste ihren Geist aufgibt, muss ich nun die ganze Tastatur auswechseln lassen.

Mit dieser Wegwerfmentalität habe ich mich aber noch nicht abgefunden. Ich betreibe deshalb einen Workaround – eine Problemumfahrung, die einer Lösung ähnelt – und lege eine Bluetooth-Tastatur auf die angeknackste Tastatur, was eine Art Tastatur-Burger ergibt. Anfangs kam die drahtlose Zweittastatur dann manchmal so zu liegen, dass sie auf die darunterliegende Funktionstaste mit der Helligkeitsregelung drückte, worauf mich ein schwarzer Bildschirm angähnte und mir in einem Panikschub eine düstere Vorstellung vom endgültigen Ende meines Rechners und aller nicht gesicherten Daten vermittelte.

Ich computere gern am Sofa und habe dazu nun eine gewissermaßen afrikanische Lösung für die Funktastatur gefunden. Um den unteren Bildschirmrand des Laptops herum befindet sich jetzt ein Stück schmaler Hosengummi gebunden, gekoppelt mit einem gelben Haushaltsgummiring, worin ich mit Fingerspitzengefühl den Stellwulst am oberen Tastaturrand einhänge, während der Rechner in Hanglage vor mir ansteigt. Gelegentlich fällt die Tastatur von der prekären Aufhängung ab und rattert mir über das darunterliegende Tastenfeld auf den Bauch.

Es passiert wirklich nicht häufig, aber ich wusste, so sehr ich es auch zu verdrängen versuchte, dass ein Werkstattbesuch unumgänglich ist, wenn man ein knapp 3000 Euro teures Gerät von einem Haushaltsgummi aus in den Kinderzimmertapetenmodus startet. Aber ich kann nicht in die Werkstatt, ich muss arbeiten! Ich kann den Rechner nicht aus der Hand geben, ohne ihn erlösche ich! Computer sind das Opium des 21. Jahrhunderts. Ich steckte den Rechner in einen Stadtrucksack, aus dem er ein wenig hervorlugte, und machte mich auf in die Werkstatt.

Ich würde mit einem Gesicht wie auf dem Edward-Munch-Gemälde "Der Schrei" in der Werkstatt sitzen und warten, bis der Computer repariert war. Als ich ankam, klappte der Techniker den Rechner auf und er startete anstandslos. Ich hasse solche Momente. "Möglich, dass er mal auskühlen musste", sagte der Techniker und klappte ihn wieder zu, und ich machte mich wieder auf den Weg nach Hause. (bsc)