Pakete der Welt, kommt in diese Stadt.

Kürzlich hatte ich in dieser unserer Hauptstadt eine Art Wandertag – und einzig und allein die Schuld daran trugen der Internet-Riese Amazon und der Logistikkonzern Deutsche Post DHL.

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Wenn ich etwas im Internet bestelle – und da bin ich sicher nicht der einzige vermeintlich clevere Online-Shopper – lasse ich mir die Sendung mittlerweile oft nicht mehr in die Wohnung schicken. Der Grund ist simpel: In den seltensten Fällen kommt der Paketbote, wenn ich anwesend bin. Stattdessen gibt er die Sendung "irgendwo" ab. Und dann geht die große Sucherei bei Nachbarn und Unternehmungen in der Nähe los – oder ich muss gar zur unfreundlichsten Postfiliale der Welt (TM) marschieren, deren Öffnungszeiten denen in der Deutschen Demokratischen Republik zirka 1974 entsprechen.

Neulich hatte ich bei Amazon ein Paket Bücher bestellt, die es bei meinem örtlichen Buchhändler leider nicht gab. Ein Teil der Sendung sollte an eine DHL-Packstation gehen, jene mehr oder minder geniale Lagerstätte für Pakete, die es hier in Berlin an vielen Ecken gibt und auf die man rund um die Uhr zugreifen kann. Der andere Teil der Sendung war einen Tag später an einen von Amazons hauseigenen "Lockern" adressiert, der dann auf meinem Weg liegen würde.

Schließlich wollte ich zur Abholung schreiten. Am Mittwoch sollte die erste Lieferung in der Packstation aufschlagen. Gegen Nachmittag bekam ich dann jedoch die Nachricht, dass die Sendung aus technischen Gründen, deren Ausführung meinem Nichtfachmannsgehirn offenkundig nicht zuzumuten war, "nicht eingelegt" werden konnte.

Eigentlich kenne ich das: Manchmal ist eine Packstation einfach voll (was der Paketbote aber lustigerweise vorab nicht mitgeteilt bekommt – die DHL-Digitaltechnik leistet das offenbar nicht). Dann legt der Lieferant das Paket einfach in eine andere Packstation in der Nähe. Doch diesmal eben nicht: Stattdessen hieß es per E-Mail, SMS sowie im DHL-Portal, die Sendung werde in eine Filiale geliefert – jenen schröcklichen Ort, den ich doch mit allen Mitteln via Packstation hatte vermeiden wollen. Noch besser: Erst am nächsten Werktag um 11 Uhr halte man die Sendung bereit, ich solle doch bitte meine Packstationzugangskarte sowie meinen Ausweis mitbringen.

Tags drauf, nun war es Donnerstag, ging dann auch die Sendung für den Amazon Locker, also die Packstation von Amazon, in der Auslieferung. Gegen 17.30 Uhr war sie jedoch noch immer nicht eingetroffen, obwohl ich kurz vor der Tankstelle, an der sich der große Paketkasten des E-Commerce-Riesen befinden sollte, angekommen war. Ha, ein Lichtblick: Auf meinem Smartphone blitzte eine Benachrichtigung auf, die den Entnahmecode der Sendung enthielt, ohne den man den Locker nicht öffnen kann.

Schlau wie ich war, drückte ich die Benachrichtigung und landete in Amazons App. Doch was sahen meine müden Augen: Trotz Benachrichtigung fand ich den Locker-Code nicht. Laut App sei die Sendung noch "in Zustellung". Auch die Amazon-Website, die manchmal schneller aktualisiert als die App, zeigte genau dies – und keinen Locker-Code.

Mittlerweile war es 18 Uhr geworden und ich befand mich rund 10 Kilometer Berufsverkehr von der schröcklichen Postfiliale entfernt, in die DHL meine andere Sendung unerwünscht gebracht hatte. Nach kurzem Warten und ständigem Neuaufrufen von Amazon-App und Website gab ich auf: Der Code erschien nicht wieder. Mit dem Taxi – man gönnt sich ja sonst nichts – wollte ich nun zur Postfiliale eilen, um zumindest das andere Paket zu erhaschen.

Und Sie ahnen schon, was nun passiert: Fünf Minuten im Taxi, erschien dann endlich der Amazon-Locker-Code in der App und auf der Website. Zu spät zum Abholen. Nun ging das große Zittern im Berliner Berufsverkehr los. Würde ich es noch rechtzeitig in die Postfiliale mit den DDR-Öffnungszeiten schaffen? Dass der Taxifahrer erst vor drei Tagen seinen Taxischein absolviert hatte und sich gänzlich auf den Navigationsdienst von Google verließ, stimmte mich nicht hoffnungsfroher.

Geklappt hat es dann doch: Um genau 18.28 Uhr hielt das Taxi vor der Filiale, woraufhin ich dem Fahrer 20 Euro inklusive Trinkgeld hinwarf, um schleunigst die Treppen zum Eingang hochzulaufen. Was mich erwartete, waren – natürlich – verschlossene Türen. Aber nicht etwa, weil die Filiale überpünktlich zugemacht hätte, was in Berlin eigentlich Standard ist. Nein. Angeheftet neben der Tür war ein DIN-A4-Bogen mit dem Hinweis, dass es heute eine Streik gegeben habe, weshalb diese Niederlassung leider geschlossen bleiben müsse.

Ein schnelles Googeln nach den Begriffen "Streik" und "Post" brachte zunächst keine Ergebnisse. Des Rätsels Lösung: Die Filiale war nicht etwa eine echte Originalpost, von denen es auf diesem Planeten weniger als Einhörner zu geben scheint, sondern ein sogenanntes Postbank Finanzzentrum mit angeschlossener Paketausgabe. Und, so verriet es mir eine Nachrichtenseite: Bei jener Tochter der Deutschen Bank hatte es in der Tat an diesem Donnerstag einen Warnstreik in Berlin und Brandenburg gegeben.

Endresultat: Eine Packstation, ein Amazon Locker, eine Filiale – und kein einziges Paket, erst am Freitag war ich bei der Abholung schließlich erfolgreich. Hat mich nur zwei Stunden gekostet.

Ich warte nun darauf, dass unser Haus einen Paketbriefkasten erhält, wie sie in Großstädten zunehmend eingebaut werden – schlauerweise für jeden Paketdienst einzeln. Oder, noch viel besser: Ich leiste mir einfach mal ein Apartment mit einem freundlichen Concierge am Eingang, der mir die Warterei auf den Paketboten abnimmt. Der muss dann allerdings ausreichend lange Arbeitszeiten haben, denn vor 18 Uhr bekommen viele Berliner Bezirke ihre Pakete nicht... (bsc)