Über die Blockchain vorbei an der Musikindustrie

Die isländische Sängerin Björk macht jetzt auch in Kryptocoins und wird damit nicht nur ihrem Ruf als innovative Künstlerin gerecht. Dahinter versteckt sich auch mehr.

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Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich die isländische Sängerin Björk auf neue technologische Pfade begeben würde. Denn sie hatte darauf schließlich Erfahrung. Angefangen vom Benutzen des Laptops Ende der 1990er-Jahre, was so ziemlich jeden Electro-Künstler autark vom groß ausstaffierten Studio machte, nutze auch Björk eifrig das Mobilgerät. Doch der wäre nichts ohne passende Software fürs Arrangieren und Komponieren. So übte sie sich früh im Umgang mit Programmen wie Pro Tools, Sibelius (das heutzutage mit intelligenten Algorithmen etwa ganze Akkorde selbst weiterschreibt) und Melodyne. Die Alben "Vespertine" (2001) und "Medúlla" (2004) waren mit dieser Software-Unterstützung entstanden.

Weiterhin machte sie sich Gesten-gesteuerte Musikgeräte, wie das Reactable, zu Nutze. Auf einer interaktiven Oberfläche lassen sich kleine Blöcke arrangieren, verschieben und via Touchscreen deren Sound verändern (hier eine kleine Demonstration). Für ihre Welttournee zum Album "Volta" (2007) setzte sie das Gerät ein, um ihren Fans auch eine visuelle Komponenten näherzubringen, wie Musik entsteht.

Auf die Spitze trieb es Björk schließlich bei ihrem Album "Biophilia" (2011). Um ihre Anhänger auch selbst Teil der Musik werden zu lassen, brachte sie die Platte auch als App heraus. Eigens dafür engagierte Entwickler kreierten für jedes Lied eine eigene visuelle Umgebung, in der der Musikhörer selbst ein Instrument übernehmen und so dem Song seinen eigenen Sound verleihen konnte.

Bei so viel Neugierde auf die technologischen Möglichkeiten, kam Björk schließlich auch um das Thema Virtual Reality nicht herum. In ihrem Video zum Song "Stonemilker" (2015) setzte sie das Konzept erstmals mithilfe einer 360-Grad-Kamera um. So können die Fans den Song gewissermaßen selbst betreten und sich umschauen. Anlässlich der Björk-Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art in 2015 konnten sich die Besucher dort eine Oculus Rift aufsetzen und das Video anschauen. Diesen Vorstößen folgten noch weitere, wie etwa jüngst im April dieses Jahres das Video "Notget VR", das für HTC Vive produziert wurde. Es ist deutlich experimenteller und die Künstlerin steht darin tatsächlich in einer virtuellen Umgebung.

Gut und gerne kann Björk mit ihrem kreativen Schaffen somit als Multimediakünstlerin bezeichnet werden – die nun auch die Möglichkeiten der Kryptowährungen für ihre Musik auslotet. Ihr in Kürze erscheinendes Album "Utopia" soll somit per "Audiocoins" bezahlt werden können. Eine Kryptowährung, die von dem britischen Start-up Blockpool entwickelt wurde. Aber auch Bezahlungen per Bitcoin, Litecoin und Dashcoin sollen möglich sein. Des Weiteren belohnt die Sängerin die Vorbesteller mit 100 Audiocoins, die in die automatisch eingerichtete Wallet des Käufers fließen. Wenngleich der Gegenwert der Summe bei weniger als 19 Cent liegt, schafft Björk damit vielmehr eine Plattform, auf der auch bisher in Sachen Kryptowährungen-Unbedarfte mit dem digitalen Geld in Kontakt kommen. Zugleich entsteht eine von der Musikindustrie unabhängige Infrastruktur, die sowohl Künstler als auch Fans honorieren kann. Und gerade letzteres scheint auch das begrüßenswerte Ziel von Björks-Kryptogeld-Konzept zu sein.

Letztlich kann es da eigentlich nur wundern, dass Björk mindestens zwei Künstler auf diesem Gebiet zuvor kamen. So hat etwa der DJ RAC in diesem Sommer sein Album "Ego" auf der Ethereum-Blockchain verfügbar gemacht. Ebenso auf diese Methode setzte bereits im vergangenen Jahr die Sängerin Imogen Heap. Sie veröffentlichte ihren Song "Tiny Human" auf der Website des Start-ups Ujo und ermöglichte den Musikliebhabern und anderen Musikern so, den Kauf des Songs mit der Währung Ether. Dadurch wird es für den Künstler und alle an der Musik Beteiligten möglich, die Musikrechte und Einnahmen zu verwalten – gerade auch, um dem mangelhaften Vergütungssystem von Plattformen wie Spotify oder Apple Music etwas entgegenzusetzen.

In Bestrebungen wie dieser drei Künstler kann ein zaghafter Anfang für neuartige Distributionswege von Musik gesehen werden. Nämlich solche, die sich auf die Beziehung zwischen Musiker und Fan zurückbesinnen.

(jle)