Maschinenlieder

Die Dadabots geben der Bezeichnung "Heavy Metal" eine völlig neue Bedeutung.

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Der grauen Himmel färbt sich ganz leicht rot, und auf dem kahlen Baum vor dem Fenster lässt sich kurz eine Krähe nieder. Genau die richtige Stimmung für ein bisschen Death Metal. Wie wäre es mit "Coditany of timeness"?

Zugegeben, ich habe schon eingängigere Musik gehört, aber der düstere, dreckige Sound passt perfekt zur Außenansicht einer belebten, vierspurigen Straße an einem neblig, feuchtkalten Dezember-Abend – vom kahlen Baum vor dem Fenster hatte ich ja bereits gesprochen. Die Kollegen von "The Outline" halten das Album jedenfalls für "frostbitten", was man mit vielleicht ganz frei mit "frostig" übersetzen könnte. Und sie finden, dass es "fetzt".

Ok, am Anfang kommt die Maschine vielleicht ein bisschen langsam in Schwung, aber die Neuronen grooven sich ein und "Inhusk", das letzten Stück, empfängt Hörer mit einem Schlagzeug-Trommelfeuer vor psychedelischen Gitarrenriffs, die – sagen wir mal – zumindest nach dem fünften Bier ganz gut abgehen dürften. Aber ich bin ja hier im Dienst. Ja, das mit den Neuronen war nicht einfach ein flotter Spruch. Ich empfehle die Musik nicht, weil sie so gut zur Stimmungslage passt, sondern weil sie von einer Maschine produziert wurde.

Zack Zuckowski und CJ Carr haben ein neuronales Netz mit einem Death Metal-Album trainiert. Die Software sollte nicht etwa lernen, ein Stück zu komponieren, oder die einzelnen Instrumente nachzubilden, sondern den Gesamteindruck eines Musikstücks zu erfassen. Das klappt schon verblüffend gut – erfordert allerdings bis zu 80.000 Durchläufe und eine Menge Handarbeit an den Parametern des Netzes. Die beiden haben auf ihrer Plattform Dadabots bereits einige ähnliche Experimente veröffentlicht, und ihr Fortschritt ist verblüffend: Das Experiment Deep the Beatles etwa klingt wie ein kaputter Kassettenrekorder mit einem verrauschten Beatles-Mixtape. Das Metal-Experiment ist da schon bedeutend weiter.

Wer glaubt, Software könnte immer nur stur fest einprogrammierten Regeln folgen, wird hier eines besseren belehrt. Ist das neuronale Netz dabei wirklich kreativ? Auf jeden Fall hat es etwas Neues erschaffen – ganz ohne Bewusstsein und den göttlichen Funken der Inspiration. Es soll Menschen geben, die das beängstigend finden. Ich finde ein Universum, in dem so etwas möglich ist, ziemlich cool. Aber mir macht diese Art von Musik ja auch keine Kopfschmerzen.

(wst)