Steuerreform gegen erneuerbare Energie

Die Gesetzesentwürfe von US-Senat und -Repräsentantenhaus für eine Steuerreform enthalten Regelungen, die deutlich auf Kosten von erneuerbaren Energien würden. Wahrscheinlich war das nicht einmal beabsichtigt.

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Von
  • James Temple

Mehrere Regelungen in den Vorschlägen von Repräsentantenhaus wie Senat zu einer Steuerreform in den USA würden deutliche Hindernisse für Investitionen in erneuerbare Energien bedeuten. Derzeit versuchen Vertreter beider Kammern, im Reconciliation-Ausschuss des Kongresses ihre Differenzen zu überbrücken, um dem Weißen Haus bis Jahresende einen finalen Gesetzesentwurf vorzulegen. Lobbyisten im Bereich sauberer Energie kämpfen unterdessen gegen die Neuerungen, die nach ihrer Ansicht schädlich für Entwicklung und Einsatz von Technologien für die Senkung der Treibhausgas-Emissionen wären.

„Die Entwürfe gehen zu einer entscheidenden Zeit genau in die falsche Richtung, weil die Entwicklung ansonsten gerade in Schwung kommt“, sagt Tom Turrentine, Leiter des Plug-In Hybrid and Electric Vehicle Research Center an der University of California in Davis. Allerdings gehen Beobachter davon aus, dass einige der schädlichsten Maßnahmen im Zuge der Gespräche zwischen Senat und Repräsentantenhaus noch gestrichen werden könnten, unter anderem weil ihre unbeabsichtigten Folgen in der Eile schlicht übersehen wurden.

Der Tax Cuts and Jobs Act des Senats wurde Anfang Dezember in den frühen Morgenstunden verabschiedet, mit per Hand eingetragenen Änderungen an den Seitenrändern. Er enthält zwei Vorschriften, die insbesondere Anbietern im Bereich erneuerbarer Energien Bauchschmerzen bereiten.

Die erste ist dazu gedacht, Unternehmen davon abzuhalten, zur Verringerung ihrer Steuerlast Geld ins Ausland zu transferieren. Gleichzeitig aber könnte sie die Finanzierung von Projekten für erneuerbare Energien massiv erschweren.

Derzeit übertragen Entwickler in diesem Bereich häufig ihre Steuergutschriften auf die multinationalen Investoren, die ihre Projekte finanzieren. Anders als kleine oder mittelgroße Entwicklungsfirmen sind diese Finanziers groß genug, um im vollen Umfang von diesen Gutschriften zu profitieren. Laut dem Gesetzesentwurf könnte das in Zukunft jedoch unmöglich werden. Dadurch würden die Gutschriften ihren Wert verlieren. Laut dem Branchenverband American Council on Renewable Energy würden dadurch auch die Anreize für die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten verringert werden.

Zusammen mit der American Wind Energy Association und der Solar Energy Industries Association verlangt der Verband von den Senatoren, die kritisierte Regelung zu verändern. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass sich die Gesetzgeber dieser Folge ihres Entwurfs bei der Verabschiedung gar nicht bewusst waren.

Das zweite große Problem im Entwurf des Senats sind die Nebenwirkungen der geplanten Senkung der Unternehmenssteuer auf 20 Prozent. Der neue Satz entspricht in seiner Höhe der Alternative Minimum Tax, die weniger Ausnahmen zulässt – Unternehmen müssen die Belastung für beide Varianten berechnen und dann die höhere bezahlen. Eine bedeutende Folge davon wäre, dass weniger Unternehmen in der Lage wären, von den Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung Gebrauch zu machen, die Investitionen in Innovationen fördern sollten.

Der Entwurf des Repräsentantenhauses wiederum zielt auf Veränderungen bei den bundesstaatlichen Anreizen für erneuerbare Energie und Elektroautos ab. Die Steuergutschriften für Solar- und Windenergie sollen gekürzt werden; im Dezember 2015 hatte der Kongress sie noch um fünf Jahre verlängert. Konkret soll die Steuergutschrift von zehn Prozent für Investitionen in solare Großprojekte ab 2027 gestrichen werden. Außerdem soll die Steuergutschrift für die Produktion von Windenergie von 2,4 Cent auf 1,5 Cent pro Kilowattstunde sinken. Nach der derzeitigen Formulierung könnte diese Neuerung sogar rückwirkend einige Projekte betreffen, die bereits begonnen wurden.

Nach der Darstellung der Wind Energy Association würde diese Neuerung mehr als die Hälfte der in den USA geplanten Windfarmen stoppen und rund 50 Milliarden Dollar an Investitionen in Frage stellen.

Das National Renewable Energy Laboratory der USA hat im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, laut der die Verlängerung der Steuergutschriften die Entwicklung von erneuerbarer Erzeugungskapazität in Höhe von Dutzenden Gigawatt anschieben würde; die Emissionen aus dem Sektor Stromerzeugung würden dadurch bis 2030 um 1420 Millionen Tonnen reduziert. Zudem bedeuten mehr Solar- und Windkraftwerke mehr Aufträge und Jobs in der Baubranche, in demokratisch wie republikanisch regierten Bundesstaaten. Das US-Energieministerium schätzt, dass die Zahl der Stellen in der Solarindustrie im vergangenen Jahr um 25 Prozent zugenommen hat und in der Windbranche um 32 Prozent.

Diese Faktoren haben dazu geführt, dass in beiden US-Parteien erhebliche Unterstützung für die Beibehaltung der Steuergutschriften entstanden ist. Aus diesem Grund dürften sie die Verhandlungen zwischen den beiden Parlamentskammern überstehen, prognostiziert David Victor, ein Energiepolitik-Forscher an der University of California in San Diego. „Tatsächlich ist steuerliche Unterstützung für erneuerbare Energien einer der wenigen Punkte im Energiebereich, bei dem man wirklich von überparteilichen Interessen sprechen kann“, sagte er gegenüber Technology Review.

(sma)