Post aus Japan: Die Knipse lernt das Sehen

Lange haben Smartphones den Markt für Digitalkameras massakriert. Doch nun scheint der Boden erreicht zu sein. Es könnte sogar bergauf gehen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Digitalkameras werden wieder interessant, wenigstens für mich. Im vergangenen Jahr habe ich sie wenig beachtet, denn sowohl die Technik als auch der Markt schienen zu stagnieren. Doch die jüngst vorgestellten Modelle und Objektive haben mein Interesse wieder belebt – und offensichtlich nicht nur meines. Der Absturz des Digitalkamera-Marktes scheint gestoppt zu sein.

Nicht nur 2017 haben sich laut der japanischen Herstellervereinigung CIPA die Verkaufszahlen stabilisiert. Auch die japanischen Kamerahersteller, die noch immer den Weltmarkt dominieren, glauben an ein Ende des Falls. Sogar Analysten sagen dem Markt wieder Wachstum voraus. Bis 2025 könnte der Markt um 3,3 Prozent jährlich auf 28,7 Milliarden Dollar wachsen, orakelt beispielsweise der Marktforscher ReportBuyer.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Ein Grund für den wachsenden Optimismus ist die steigende Reiselust von Asiaten. Je größer die Mittelschichten in den Schwellenländern des bevölkerungsreichsten Kontinents werden, desto mehr Touristen gibt es – und damit potenzielle Käufer von japanischen Digitalkameras.

Denn so gut die Kameras von Smartphones auch geworden sind, mit größeren Sensoren sowie der Auswahl von Objektiven ist die Bildqualität von Digitalkameras noch immer besser. Zudem wird es auch immer einfacher, per Kamera geschossene Bilder im Internet zu teilen. Und dann ist da auch noch der technische Fortschritt.

Zuerst der in den Kameras: Nicht nur die Rechenkraft von Smartphones nimmt zu, sondern auch die von Kameras. So können die neuen Modelle hochauflösende Bilder in immer schnelleren Bildfolgen bei immer geringerem Licht mit weit besserer Qualität schießen als Smartphones mit ihren Mini-Bildsensoren. Sonys neue A7R3 ist beispielsweise in der Lage, zehn 42-Megapixel-Bilder pro Sekunde aufzunehmen. Die Verfolgung von Objekten hilft zusätzlich, dass Fotofans mit höheren Ansprüchen sich weiterhin nach hochwertigen Kameras sehnen.

Aber die menschliche Nachfrage und die Kameratechnik selbst sind nur ein Teil der neuen Wachstumsgeschichte. Auch Maschinen werden dank immer intelligenterer Bildverarbeitung und -analyse visuell aufgerüstet. Beispiel Mobilität: Je mehr Autos selber fahren können, um so größer wird die Notwendigkeit der Weltwahrnehmung und damit das Marktpotenzial.

So brauchen Roboterautos derzeit gerne mal zwölf bis 16 Kameras, um rundherum den Überblick über das Verkehrsgeschehen zu behalten. Panasonic glaubt, es bald schon mit vier Kameramodulen zu schaffen. Aber da winkt immer noch ein großer Markt in der Mobilität für Kameramodule mitsamt Bildverarbeitungssoftware.

Zudem verbreiten sich Überwachungskameras und Roboter, aber eben nicht nur die. Auch in anderen Orten werden Kameras auf einmal wichtig, zum Beispiel der Automatisierung von Baustellen. Der japanische Baumaschinenhersteller Komatsu kündigte diese Woche beispielsweise an, künftig Grafikchips des Chipherstellers Nvidia einzusetzen.

Damit will der Hersteller den gesamten sensorischen Input von Drohnen, teilautomatisierten Baumaschinen und sonstwie installierten Kameras besser mit künstlicher Intelligenz auswerten können. Und er dürfte nicht der einzige Konzern sein, der seinen Maschinen das Sehen beibringt.

Mein Fazit: Japans Kamerahersteller stehen zwar nicht am Anfang eines Booms, aber am Ende der schlimmsten Leiden. Hersteller wie Sony und Panasonic, die sich auch auf Kunden wie Unternehmen oder staatliche Einrichtungen konzentrieren, können allerdings auf mehr Wachstum in neuen Segmenten hoffen.

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