Fortschritt im Feuchtraum

Tablets werden anders genutzt als andere Geräte. So verbinden sie beispielsweise ökologisches Denken, soziale Sensibilität und den Toilettenbesuch miteinander.

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Von
  • Peter Glaser

In Amerika gibt es staatliche Meerjungfrauen. Sie stehen auf der Gehaltsliste des öffentlichen Dienstes, da diesem der Freizeitpark in Weeki Wachee Springs in Florida untersteht. Auf die Idee mit dem Meerjungfrauenballett, bei dem hübsche Mädchen in Flossenbadekleidung unter Wasser essen und trinken und Hans Christian Andersens Märchen von der kleinen Meerjungfrau darbieten, war 1946 Newton Perry gekommen, ein vormaliger Navy-Taucher. Das Neue war, dass die Mädchen mit Hilfe von Atemluftschläuchen länger unter Wasser bleiben konnten.

Nun sehen wir neuerliche Fortschritte im Feuchtraumbereich. Dem iPad und anverwandten Tablets haben wir es zu verdanken, dass der Mensch nicht mehr nur auf der Couch, im Bett und in der Küche onlinesein und einkaufen kann, sondern auch in und auf den zurückgelehntesten Orten im Bad – in der Wanne und auf der Toilette.

Umfragen bei Tablet-Besitzern geben eine statistische Schätzung, wo sie ihre Geräte am liebsten benutzen, um einzukaufen. Zehn Prozent der Befragten räumen ein: während sie auf dem Klo sitzen. Das Badezimmer liegt, was Gerätestandorte in Haus angeht, zwar eigentlich auf dem letzten Platz nach dem Wohnzimmer (44 Prozent), dem Schlafzimmer (23 Prozent), der Küche (19 Prozent) und dem Außenbereich (14 Prozent).

Aber die WC-Statistik zeigt, wie mächtig Tablets inzwischen als virtuelles Schaufenster geworden sind. Und wenn man Menschen dazu bringen kann, im Bad einzukaufen, kann man sie dazu bringen, es überall zu tun. Tablets werden anders genutzt als andere Geräte. Das Einkaufen auf Smartphones ist wegen der kleinen Displays immer noch fitzelig, ein Tablet dagegen nimmt man wie eine Zeitung mit ins Bad. Marktforscher beobachten, dass sich unterschiedliche Nutzungsgewohnheiten für Geräte mit verschieden großen Bildschirmen herausbilden. Viele Menschen haben zu Hause gar keinen PC mehr – nun bieten Tablets das, was Marktforscher vornehm "eine intimere Konsumerfahrung" anennen.

Tablets haben die Art, wie wir einkaufen, grundlegend verändert. Zeitgleich die Toilette benutzen und einkaufen zu können, ist neu. Pioniere wie Sim Jae-Duck, vormals Bürgermeister der südkoreanischen Stadt Suwon, haben eine klare Vorstellung der aufstrebenden Bedeutung des gewissen Ortes und versuchen, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren. Im November 2012 wurde in Suwon ein Toiletten-Themenpark eröffnet, in dem sich unter anderem ein selbstverständlich toilettenförmiges Toilettenmuseum befindet, mit dem sich Herr Sim (er kam in einer Toilettekabine zur Welt) ein Denkmal gesetzt hat. Der 2009 verstorbene Sim war Gründer der World Toilet Association und Verfasser des Buchs "Happy to Be With You, Toilet".

Auch der britische Erfinder Paul Stender widmet sich sich dem Fortschritt des Toilettenwesens. Er hat zu diesem Zweck die schnellste Toilette der Welt gebaut. Sie ist mit einer 7.500 Euro teuren Boeing-Turbine mit 1000 PS ausgerüstet und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h.

Da die porzellanenen Bedürfniseinrichtungen in zunehmendem Maß mit Sensorik und Elektronik ausgerüstet sind, wird natürlich auch die Frage des Datenschutzes neu aufgeworfen. Manche öffentliche Toilette in Schweden etwa kann gegen Eingabe eines via SMS gekauften Codes benützt werden. Der schwedische Datenschutzbeauftragte forderte Auskunft darüber, wie lange die Telefonnummern der Nutzer gespeichert werden und wer zu den Informationen über die Toilettenbenützung Zugang hat. Die Stadtverwaltung hatte die Toiletten unter anderem deshalb mit SMS-Schlössern ausgerüstet, um gegebenenfalls Vandalen über die gespeicherten Telefondaten ausfindig machen zu können.

Individualisierbar durch Apps werden schließlich bisher unveränderliche Technikhilfen, die ökologisches Denken, soziale Sensibilität und Toilettenbesuch miteinander verbinden. In Japan längst nicht mehr wegzudenken ist ein Gerät namens Otohime – ein Wortspiel mit dem Namen einer Gottheit aus der japanischen Mythologie, das so viel wie "Geräuschprinzessin" bedeutet.

Bisher gab das in Damentoiletten angebrachte Gerät lieblich zirpende Geräusche oder künstliches Wasserrauschen von sich – für japanische Frauen ist es ein Unding, sich vorstellen zu müssen, dass jemand die eigenen Körpergeräusche wahrnehmen könnte. Also wurde, ehe das Otohime erfunden wurde, nur des Geräuschs wegen immer wieder die Spülung gedrückt und damit natürlich eine Unmenge an Wasser vergeudet. In der neuen Welt der Tablets und Smartphones steht dem Nutzer nun, wie schon bei Klingeltönen, das Universum toilettenkompatibler Klänge uneingeschränkt offen.

(bsc)