Lauschbuben

Von allen Seiten werden wir überwacht – und das noch auf kränkende Weise. Aber Überwachung kann auch Spaß machen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Während man früher seine persönliche Wichtigkeit diskret andeuten konnte, indem man nebenbei erwähnte, dass man es in seinem (analogen) Telefon knacken höre, anders gesagt: dass man bedeutend genug war, um abgehört zu werden, interessiert sich heute keine Sau mehr für die Inhalte meiner Telefongespräche, bloß noch die Metadaten. Dabei, und ich spreche jetzt ein Tabu an, kann Überwachung doch richtig Spaß machen.

Ich will mich outen: Ich habe als Kind einen Detektivclub gegründet. Gemeinsam mit meinem besten Freund [Name geschwärzt] wollte ich meinen an Astrid Lindgrens Kalle-Blomquist-Romanen geschulten Spürsinn verfeinern und meiner insgesamten Neugierde einen erwachsenen Rahmen verleihen. In Kalle Blomquist lebt gefährlich etwa wird der zu Besuch weilende Onkel Einar von einer Kindertruppe als Schurke überführt, der Diebesgut in einer Höhle bunkert.

Man war damals umgeben von unbekümmerten Einladungen zur Erkundung, etwa der berühmten Röntgenbrille, die auf den Umschlaginnenseiten von Groschenheften mit der Zeichnung eines Mädchens beworben wurde, dessen Körpersilhouette unter dem Kleid zu sehen war. (Die Brille soll nur in der Einbildung funktioniert haben).

In der Donald Duck-Geschichte "Verirrt!" vom August 1956 wird ein Campingurlaub dokumentiert, bei dem Donald seine drei Neffen stolz mit den damals modernsten Mitteln am Unbeobachtetsein hindert: die Kinder tragen kleine Kügelchen aus Uran auf ihren Mützen. Mit einem handlichen Geigerzähler kann Donald sie bequem aus der Hängematte heraus einpeilen. Der Versuch verläuft allerdings unglücklich – zuletzt spürt Donald anstelle eines Neffen nur dessen verlorene Mütze in einer Höhle auf, die von einem übellaunigen Grizzlybären bewohnt wird.

Was damals Tick, Trick und Track war, ist heute Tracking. Und offensichtlich macht es immer noch Vergnügen, seinen Nachwuchs mit zeitgemäßen Gadgets zu überwachen, etwa dessen Internet-Aktivitäten mit einem Keylogger, der zuvor einen flotten Namen wie SnoopStick bekommt. Offiziell eingesetzt wurde der erste Keylogger im Jahr 2002, um den New Yorker Mafioso Nicodemo Scarfo Jr. zu überführen.

Neuere Spielzeuge bedienen sich des Geofencing, also der digitalen Abart des Zauns. Damit lassen sich gezielt kleinteilige geografische Bereiche erzeugen. Software dieser Art bläst ins Horn derer, die den gleichrangigen Datenverkehr zugunsten unterschiedlich priorisierter Verbindungen verändern wollen. Manche befürchten, die Zerlegung der digialen Welt in Zonen werde zu einer Balkanisierung des Netzes führen – ein zentrales Thema bei der seit Jahren geführten Debatte um die Netzneutralität.

Die zu Twitter gehörende Firma Whisper Systems etwa entwickelt eine App namens "Zones", mit der man seine Welt auf einer Karte in beliebige Zonen aufteilen kann. Taucht das Smartphone des Nutzers in einer solchen Zone auf oder verlässt es sie, wird automatisch eine festgelegte Aktion ausgeführt. Eltern können so beispielsweise für ihre Kinder einen Aufenthaltskorridor festlegen und sich alarmieren lassen, wenn dessen Grenze überschritten wird. Wenn man so will: ein Käfig ohne Stäbe.

Unseren Detektivclub mussten wir übrigens nach einiger Zeit wieder einstellen, aus Mangel an Dunkelmännern. Es gab in der Wohnsiedlung nur gute Menschen. Das Paradies ist schlichtweg langweilig.

(bsc)