Heimatminister Seehofer: Fachmann für die Zerstörung von regionaler Basis und Peripherie?

Heimatminister Horst Seehofer. BIld: Deutscher Bundestag/Achim Melde

Regionenzerstörung mittels Sozial- und Gesundheitsreform

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Wieder hat das politisch-kulturelle Linksmilieu in Deutschland deutlich gemacht, warum es in der Politik keine Rolle mehr spielt. Wie auf Kommando ist die Opposition über das von der Meisterin der Täuschung Merkel hingehaltene Stöckchen "Heimat" gesprungen. Dabei hat dann diese Opposition auf der ganzen Linie, von den bequemen Parlamentssesseln bis zu den heimischen Kommentarsofas, ihre Zeit und Kraft mit Lederhosen- und Dirndlwitzeleien auf Böhmermann-Niveau vertan. Besser hätte sie nachgebohrt, was es mit der von Seehofer erläuterten Heimat als "gleichwertigen Lebensverhältnissen" auf sich hat.

Auch die einst kritisch-analytischen, heute eher Merkel-linken "Blätter für deutsche und internationale Politik" haben diese Aufgabe gründlich vergeigt. Die Blätter-Redaktion hat den Krimi- und Thrillerautor Thomas Thiemeier eine philologische Einschlafhilfe zum Thema "Die Provinzialisierung der Heimat" pinseln lassen und das Ergebnis dann auch noch abgedruckt. Als ob es nicht bspw. mit Wolfgang Emmerich jemanden gegeben hätte, der zur politisch-ökonomischen Formelgeschichte von "Heimat" "Volk", "Nation" und "Vaterland" schon 1971 bei "suhrkamp" Ernsthaftes und Ausgewiesenes geschrieben hat. Bleibt noch anzumerken, dass der in solchen Fällen unvermeidliche Wochenfüller "Zeit" einen Daniel Schreiber fordern hat lassen, den Begriff "Heimat" der politischen Rechten zu überlassen und dieser damit dann wohl so richtig zu schaden.

Parteienangst vor der "Revanche der Peripherie"

"Telepolis" hat bereits Wochen vor dem "Koalitionsvertrag" vermutet, dass es wegen der Wahlgeographie zu ausgreifender und anhaltender verbaler "Raumkosmetik" kommen wird. Dass gleich das Innenministerium umbenannt wird, haben allerdings auch die Autoren des Beitrages "Revanche der Peripherie" noch nicht vorausgesehen. Dafür haben sie die Parallelen zwischen den Wahlergebnissen in Deutschland und Frankreich, den Abstimmungsergebnissen in Großbritannien, dem Wiedererscheinen von Berlusconi in Italien und den Präsidentenwahlen in den Vereinigten Staaten hervorgehoben: als politische Wortmeldungen der abgehängten Kommunen und Regionen. Vor allem wurde dem Linksmilieu in Deutschland vorgehalten, dass es in den Jahrzehnten seines Wohlergehens keine politisch-ökonomische Analyse und keine adäquate Strategie zur Rolle des "Raumes" als Ausbeutungsobjekt oder als Abfallprodukt kapitalistischer Mehrwertproduktion und Profitmaximierung zu Stande gebracht habe.

Blitzschnell reagiert haben dagegen die Flaggschiffe der Mainstreampresse: Kaum waren die Kartographien mit den enormen Zugewinnen der "Populisten" in den Problemgebieten auf dem Markt, schon haben die Flaggschiffe ihre verduzten Leserschaften mit Breitseiten zum Thema "Heimat" kanoniert - also diejenige Parole in Umlauf gebracht, über die sich nunmehr mokieren.

Dass die Regierungsparteien nicht mehr nur verbal, sondern auch administrativ einer erneuten Revanche der Peripherie vorbeugen möchten, spricht für ihre Lernfähigkeit. Das Linksmilieu , wenn es überhaupt noch an Einfluss interessiert ist, sollte daher seine "Gegen Rechts"-Pantoffeln stehen lassen und sich stattdessen zum Thema "Raum und Kapitalismus" an die Arbeit machen.

Keinesfalls zureichend wäre eine Fortsetzung des pseudosatirischen Hipstergeblödles gegenüber Horst Seehofer in Sachen "Heimat". Das entsprechende Ministerium in Bayern heißt offiziell "Bayerisches Staatsministerium für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat" - diese Aufgabenverbindung sollte auch für unpolitisch-spaßorientierte Wochenendradler Warnung genug sein.