Neue Debatte über das Recht auf Abtreibung?

Ende 2017 wurde die Ärztin Kristina Hänel aufgrund verbotener Werbung für Abtreibungen zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun geht es darum, ob der umstrittene Strafrechtsparagraf 219a reformiert wird.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Inge Wünnenberg

Vor dem Kampf um Wählerstimmen scheint kein Sachthema sicher zu sein. Schon seit geraumer Zeit entzünden sich die Gemüter einiger Bundesminister sowie einiger Abgeordneter am Strafrechtsparagrafen 219a. Der umstrittene Gesetzestext regelt das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. In der Praxis bedeutet dies etwa, dass Ärzte ihre Patientinnen nicht darüber informieren dürfen, dass sie Abbrüche durchführen. Dass sie Abbrüche vornehmen, darf auch auf der Webseite der Ärzte nicht erwähnt werden. Wie unbefriedigend der Alltag mit diesen gesetzlichen Regelungen aussieht, schilderte zum Beispiel Davinia Höblich, Bundesvorsitzende von Pro Familia, im Interview mit Spiegel Online.

Anlass für die aktuelle Diskusion über den Strafrechtsparagrafen 219a, bei dem es sich übrigens um ein Relikt aus der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 handelt, ist die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel. Die Allgemeinmedizinerin wurde Ende vorigen Jahres durch das Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Für Hänel, die sich während ihrer mehr als dreißigjährigen Zeit als Ärztin unter anderem den Nöten von ungewollt schwangeren Frauen oder auch schwangeren Frauen in Notsituationen gewidmet hat, markierte der Prozess einen Wendepunkt. Sie habe gemerkt, "genau jetzt habe ich eine Chance, etwas zu ändern. Jede Frau sollte das Recht haben, sich frei und anonym zu informieren", betonte Hänel in ihrem Interview mit Zeit Online.

So sammelte Hänel inzwischen mehr als 150.000 Unterschriften für die Abschaffung des Paragrafen. Mittlerweile hat sie ihre Petition beim Bundestag eingereicht – und der Berliner Senat hat beschlossen, eine entsprechende Gesetzesinitiative in den Bundesrat einzubringen. Für Hänel bestehen offensichtlich wenig Zweifel, dass der Paragraf 219a in seiner jetzigen Form keine Zukunft hat. Zeit Online sagte sie: "Wie genau die Veränderung aussieht, da will ich keine Prophezeiungen machen. Ich bin mir auch sicher, dass wir vor dem Bundesverfassungsgericht die besseren Argumente haben werden, denn der Paragraf ist überflüssig. Es gibt nichts Mächtigeres als eine Sache, deren Zeit gekommen ist."

Dieser Optimismus und dieses Engagement sind nur zu begrüßen. Argumente seitens der Befürworter des Paragrafen scheinen wenig zu überzeugen. "Wir wollen keine Plakate am Straßenrand, auf denen für Abtreibungskliniken geworben wird", zitiert die Webseite der österreichischen Tageszeitung Der Standard etwa Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU). Zum einen ist dieses Argument so übertrieben, dass es schon allein dadurch unglaubwürdig wird. Zum anderen verhindern andere bestehende Regelungen solche Werbung ohnehin. Und drittens: Was ist das für ein Frauenbild, das suggeriert, Frauen würden sich aufgrund einer solchen Werbung zum Schwangerschaftsabbruch entschließen.

Es wäre schön, wenn sich jenes Netzwerk von Frauen- und Rechtspolitikerinnen, die sich dem Deutschlandfunk zufolge über Fraktionsgrenzen hinweg verständigen, auch bei diesem Thema einig werden könnte. Man sollte sich doch auf das Recht auf Abtreibung unter jenen im Paragraf 218 festgelegten Bedingungen als kleinsten gemeinsamen Nenner einigen können. Das scheint doch ähnlich existentiell zu sein wie etwa das Verbot von Kinderehen.

Zu hoffen ist ebenfalls, dass die CDU-Politiker Braun und Jens Spahn (Gesundheitsminister) auf der einen Seite und die SPD-Ministerinnen Katarina Barley (Justiz) und Frauenministerin Franziska Giffey auf der anderen zu einem sinnvollen Kompromiss finden. Die aktuelle Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung gibt allerdings nicht viel Anlass zu Optimismus. Geht es hier etwa um Jungs gegen Mädchen? Der Glaube, dass die politische Bühne frei von solchen Ressentiments ist, stirbt zuletzt. (inwu)