Einschränkung für die Energiewende?

Bundeswirtschaftsministerium stellt die Vorfahrt für den Ökostrom in Frage

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es klang wie ein Dementi, aber es war eigentlich eher eine Zustimmung: Spiegel online und andere hatten am Freitagvormittag verbreitet, das Bundeswirtschaftsministerium wolle mit der anstehenden Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) den Einspeisevorrang für den Strom aus Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen abschaffen.

Nein, nein, konterte darauf das Ministerium über andere Medien. "Fakt ist, dass wir definitiv nicht vorhaben, den Einspeisevorrang abzuschaffen“, zitiert finanzen.net einen nicht genannten Ministeriumssprecher am Freitagmittag. Aber: Er könne nicht dementieren, dass über Einschränkungen nachgedacht werde.

Nicht abschaffen, aber einschränken

Aha. Nicht abschaffen, aber einschränken. Unterm Strich wäre das vermutlich für die Betreiber fast egal, denn es würde auf jeden Fall die Kalkulation für neue Anlagen erheblich erschweren und sie – und damit den produzierten Strom – indirekt auch teurer machen.

Je ungewisser die Menge des verkauften Stroms und damit der Ertrag ist, desto höher werden die Zinsen, die auf Kredite gezahlt werden müssen. Die Banken lassen sich Risiken bei der Rückzahlung nun einmal mit höheren Zinsen vergüten.

Die Betreiber von Altanlagen dürften hingegen eigentlich nichts zu fürchten haben, denn sie können für sich vermutlich den Vertrauensschutz beanspruchen. Schließlich waren die klaren und kalkulierbaren, vom EEG geschaffenen und in der Regel über einen Zeitraum von 20 Jahren geltenden, ökonomischen Rahmenbedingungen einst ein wichtiges Instrument, um den Ausbau von Sonne, Wind & Co. auf den Weg zu bringen. Da kann man schlecht im Nachhinein die Spielregeln ändern.

Besonders betroffen ist der Norden der Republik

Im Ministerium macht man sich aber offensichtlich Gedanken, über den künftigen Umgang mit Netzengpässen. Derzeit ist es so, dass die Besitzer der im Rahmen des EEG geförderten Anlagen eine Entschädigung bekommen, wenn ihr Strom nicht von den Netzen aufgenommen werden kann. Derlei passiert meist, wenn es stark weht und vielleicht noch der Verbrauch wegen Wochenende oder Nacht gering ist.

Besonders betroffen ist der Norden der Republik, wo es vergleichsweise wenig große Verbraucher aber viele Windkraftanlagen gibt. In letzter Zeit kommen auch noch die Windparks vor den Küsten hinzu. Zugleich gibt es aber noch immer viele Großkraftwerke, die wenig flexibel sind und sich schlecht dem schwankenden Angebot der Windkraftanlagen anpassen können.

In Kiel will man daher zum Beispiel das dortige 48 Jahre laufende Steinkohlekraftwerk durch eine Reihe kleinerer, hochflexibler Gaskraftwerke ersetzen.

Besonders schwerfällig sind hingegen Atomkraftwerke, von denen im Nordwesten noch zwei laufen. Brokdorf, am schleswig-holsteinischen Elbufer mit einer Nettoleistung von 1410 Megawatt (MW), Emsland (1335 MW) im Nordwesten Niedersachsens und Grohnde (1360 MW) im Südosten des gleichen Bundeslandes.

Besonders die beiden erstgenannten würden zur Entlastung der Netze viel beitragen, wenn sie vom Netz genommen würden.

Bundesregierung will keine Debatte über die Weichenstellungen in der Energiepolitik

Das muss ohnehin bis Ende 2021 oder 2022 geschehen, aber die Bundesregierung könnte, wenn sie denn die Netzengpässe tatsächlich für ein so großes Problem hält, ihre Stilllegung beschleunigen. Wie gestern dargestellt reichen die gesetzlich garantierten Reststrommengen, die die Betreiber der beiden AKW noch absetzen dürfen nur noch bis 2020 oder könnten sogar schon etwas früher aufgebraucht sein.

Wenn nun in der gerade diskutierten Novelle des Atomgesetzes die Übertragung von Restrommengen zwischen den AKW verboten würde, wie von Umweltschützer gefordert, dann hätte man nicht nur der Sicherheit der Bevölkerung einen Dienst erwiesen sondern auch die Netze deutlich entlastet.

Aber damit ist wohl nicht zu rechnen, jedenfalls scheint der Bundesregierung eine umfassende öffentliche Debatte über die Weichenstellungen in der Energiepolitik nicht recht in den Kram zu passen. Das Atomgesetz wird in aller letzter Minute novelliert – schon Ende Juni muss es in Kraft treten, um die Anforderung des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen.

Und das Gutachten, auf dem die Pläne zur Einschränkung des Einspeisevorrangs fußen, soll unter Verschluss gehalten werden.