Iren stimmen gegen Abtreibungsverbot

Bild: Giuseppe Milo. Lizenz: CC BY 2.0

Ministerpräsident Varadkar will Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monate straffrei stellen

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Nachwahlbefragungen können von den Endergebnissen von Abstimmungen abweichen. Bei denen zur gestrigen Volksabstimmung über das Abtreibungsverbot in Irland ist das Ergebnis aber so eindeutig, dass eine Umkehr bei der Auszählung unmöglich scheint: Von 4000 im Auftrag der Irish Times vom IPSOS-Institut befragten Wählern gaben 68 Prozent an, für ein Ende des achten Zusatzes gestimmt zu haben, der bislang das Abtreibungsverbot in der irischen Verfassung verankert.

Diesen Verfassungszusatz hatten die Iren vor 35 Jahren mit 67 Prozent Mehrheit in einem Referendum angenommen. Ein großer Teil der damaligen Wähler lebt heute nicht mehr. Dafür sind andere hinzugekommen, denen es beispielsweise nichts ausmacht, dass der aktuelle irische Ministerpräsident Leo Varadkar nicht lügt, wie es Politiker und Priester früher machten, sondern seine Homosexualität offen auslebt. Gefragt, ob sich ihre Einstellung zur Abtreibungsfrage im letzter Zeit veränderte, hatten im Januar außerdem 19 Prozent der Befragten angegeben, sie stünden einer Legalisierung nun offener gegenüber. Zugunsten eines Abtreibungsverbots hatte sich die Meinung nur bei drei Prozent der Befragten geändert.

Verringern Verbote die Zahl der Abtreibungen?

Zu dieser langsamen Mehrheitsmeinungsänderung hatten auch Studien beigetragen, die Zweifel daran säten, ob ein Verbot tatsächlich zu weniger Abtreibungen führt. Eine 2016 in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichten gemeinsamen Studie des Guttmacher-Instituts der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Bixby Center der University of California nach, für die sich Forscher Abtreibungsgesetze und Abtreibungsdaten aus der ganzen Welt ansahen, ergab keinen signifikanten Zusammenhang:

In Ländern in denen Abtreibung komplett verboten oder nur erlaubt ist, um das Leben der Mutter zu retten, trieben 37 von 1.000 Frauen ab; in Ländern, in denen der Abbruch weitgehend legal ist, 34 von 1.000. Das zeigt nach Meinung der Hauptautorin Gilda Sedgh vom Guttmacher-Institut, dass solche gesetzlichen Einschränkungen Abtreibungen nicht verhindern, sondern lediglich die gesundheitlichen Risiken für Frauen erhöhen, die den Abbruch dann unter potenziell unsichereren Umständen vornehmen lassen (vgl. Abtreibungsrate sinkt in entwickelten Ländern).

Abtreibungen in Großbritannien und auf Schiffen

Von einem Anstieg von Abtreibungen durch eine Legalisierung geht dagegen die Donohue-Levitt-Hypothese aus, die den statistisch sehr auffälligen Rückgang der Kriminalität in den USA der 1990er Jahre zumindest zum Teil auf die 1973 gefällte Roe-v.-Wade-Entscheidung des US Supreme Courts zurückführt. In Irland dagegen stiegen sowohl die Mord- als auch die allgemeinen Verbrechensraten zwischen 1951 und 2007 steil an. Danach sank die Zahl der Morde wieder, aber die Zahl der Sexualverbrechen nahm stark zu.

War eine Frau in Irland ungewollt schwanger, konnte sie allerdings eine Reise nach England, Schottland oder Wales unternehmen und den Eingriff dort vornehmen lassen, wo er sogar bis zum sechsten Monat möglich ist. Darüber hinaus gab es seit 1999 auch Abtreibungskliniken auf Schiffen. In Nordirland, das ebenso wie England, Schottland und Wales zum Vereinigten Königreich gehört, galt dagegen ein ähnlich strenges Abtreibungsrecht wie in der Republik Irland, wo eine Unterbrechung zuletzt nur dann erlaubt war, wenn die Schwangerschaft das Leben der Mutter gefährdete.

Fristenregelung geplant

Die Debatte um das Für und Wider gesetzlicher Abtreibungsschranken verlief in Irland im Vergleich zu anderen Ländern, wo die Auseinandersetzung unter anderem zum Mord an einem Arzt und zur Verwüstung einer Kirche führte, relativ zivilisiert. Wurden dort früher vor allem Verfechter legaler Abtreibungen behindert, gibt es inzwischen auch Milieus, die die Äußerung von Argumenten gegen Abtreibungen verhindern wollen.

Ministerpräsident Leo Varadkar hatte vor der Abstimmung in Aussicht gestellt, im Falle eines Ja-Votums eine Fristenregelung einzuführen die den Abbruch einer normalen Schwangerschaft innerhalb der ersten drei Monate straffrei stellt. In Problemfällen soll eine Abtreibung bis zum sechsten Monat erlaubt sein.